#Tag 22: Schritte einer Geisha

Um 6:30 Uhr geht mein Wecker und ich stehe auf und fühle in meine Füße hinein. Die rechte Wasserblase am Fersen war eigentlich verheilt, fühlt sich inzwischen empfindlich an – da wird sich doch wohl keine Entzündung einschleichen? Der Ballen ist unverändert und ich mache Fotos, denn sehen kann ich die Wasserblasen an der Stelle nicht. Zur Einschätzung der Gesamtsituation werfe noch einen Blick in die „Camino-Ninja App“ und muss feststellen, dass in den nächsten Ortschaften und auch am Tagesziel „Terradillos de los Templaroos“ in 26,4 km keinerlei Gesundheitszentren oder Ärzte ansässig sind. Daher entscheide ich mich zu bleiben und zur Mittagszeit mit meinen Blasen vorstellig zu werden.

Manchmal frage ich mich wieviel Show und Marketing hinter dem Weg steckt. Hier ein Pilger in – sagen wir mal – traditioneller Uniform

Ich schreibe Astrid eine Whatsapp und teile ihr mit, dass sie mit dem anderen niederländischen Pärchen leider alleine weiterziehen muss und bedanke mich für die gemeinsame Zeit. Sie hat mir viel von sich und ihrer Familie erzählt und auch ich habe von meiner Vergangenheit geplaudert. Es wahren tolle Gespräche die zum Nachdenken angeregt haben – dafür ist er da der Camino – danke liebe Astrid!

Was mich am Meisten aus unseren Gesprächen beeindruckt hat, ist die Notwendigkeit des Inneren „ICHS“, die Geschichte, Situation und Motivation der eigenen Eltern zu verstehen. Sie sagt, „nur wenn man mit den Eltern oder Menschen die einem wichtig sind, zu deren Lebzeiten über die Dinge und Fragen spricht, die einem wichtig oder unverständlich sind und ggf. die Beziehung nachhaltig emotional beeinflussen, kann man die Motivation und/oder die Situation dahinter verstehen und damit Frieden schließen.“ Spricht man nicht darüber, wird es keine befriedigende Antwort geben.

Das klingt logisch und ich bin sicher jeder von uns kann in seinen tiefen Windungen des Gehirns ein paar Fragen zu seiner Kindheit oder sich selbst finden, die des klärens Wert scheinen. Oder?

Die Sonne scheint und die nächste Runde ist eingeleitet. Vamos!

Ich gehe Frühstücken und kann endlich wieder – wenn auch nur kurz – mit einem Teil meiner Alsdorfer Familie telefonieren. Ich vermisse sie sehr und es ist ein komisches Gefühl zu sehen, wie schnell sich mein kleiner Paulemann weiterentwickelt. Auf einem Foto sehe ich wie seine liebevolle Schwester ihm hilft, einen dicken Ast zu tragen – wunderschön. Danke liebe Noemi, du bist ein tolles großes Mädchen und danke, dass du deinen Paul so sehr liebst ♥️.

Ich freue mich darauf, sie alle endlich wieder in die Arme zu schließen und wir beratschlagen die Optionen für meinen Heimweg. Alle Flüge aus „Santiago de Compostela“ sind an Ostern überteuert – die beste Option wäre es, wenn ich (erst nach Ostern) an meinem Geburtstag heimreise. Die überschüssige Zeit könnte ich meiner Langsamkeit gönnen oder noch bis ans Ende der Welt wandern – Finistera!

Gedacht, besprochen, getan – ich fliege an meinem Geburtstag von Santiago nach Amsterdam und werde dort von meiner besten Alsdorfer Familie der Welt aufgegabelt. Ein Wiedersehen – das schönste Geschenk das man sich wünschen kann. Vorab jedoch zurück in die Realität des Caminos.

„Hier werden sie geholfen.“ das Gesundheitszentrum in Spanien.

Das im Ort ansässige Gesundheitszentrum hat keine guten Bewertungen im Internet und auch von außen ist es wenig einladend. Aber ich brauche eine Lösung für die knackig gefüllten kleinen Wasserblasen an meinem Beinfortsatz. Heute habe ich mehr Glück – die Pforten sind geöffnet – und das 23 Minuten vor 12:00 Uhr. Die Wartezeit kann sich mit sechs Minuten sehen lassen.

Eine ältere Dame wird vor mir behandelt, sie hat wirklich Schmerzen und dagegen sind meine selbstverschuldeten Hautabhebungen reine Peanuts! Die Blasen werden aufgestochen, manuell entleert und dann frisch in Sterilität gehüllt – ein Akt in 5 Minuten. Zur Sicherheit frage ich anschließend angespannt nach – alles gut, ich kann weiterlaufen – aber neue Schuhe sollte ich mir gönnen – 1,5 Größen mehr darf es sein. Die alten Schuhe werden geschnürt, der Rucksack gesattelt und los gehts!

Ich laufe eine ¾ Tagestour mit knapp 19 Kilometer. Es geht eine lange gerade Strecke an der Straße entlang, dann gerade aus, gerade aus ins Feld und dann zur Abwechslung schnurgerade ins Ziel. 19 langweilige, Kilometer – aber dennoch schön.

Ich mache viele Pausen, teile mir das Wasser ein und gönne meinen Füßen alle 5 Kilometer frische Luft. Ich spüre meine Füße, wie sie kribbeln und aufathmen, sich ausdehnen, sobald sie in Freiheit gelangen. Der Fokus meiner Sinne liegt auf dem Fuß und das ist nicht gut, denn zu viel Achtsamkeit macht sich mit gesteigertem Schmerzempfinden bemerkbar.

Die letzten 4 Kilometer werden die Hölle und ich lenke mich mit einem Hörspiel ab. Dann wieder Pause, weiterlaufen und bei der nächsten Sitzmöglichkeit unter einem Verschlag kommt – ich kann nicht mehr – die letzte Pause des Tages.

Völlig erschöpft: ein Verschlag für Pilger soll meine letzte Rast für heute sein. Rettung naht (?)

Und plötzlich, ich kann mein Glück nicht fassen, höre ich ein Auto auf dem Schotterweg. Das erste Auto des Tages – auf meinem Weg. Schnell die Schuhe an, den Rucksack dürftig auf die Schulter gepackt und los zum Feldweg.

Ein weißer Toyota Pickup kommt angebrummt, Staubwolken begleiten ihn und ich bin sicher, dass er mich die letzten drei Kilometer mitnimmt. Wo soll er auch anders hin, es geht nur gerade aus. Er kommt immer näher und ich will gerade meinen Daumen zücken, als er direkt vor meinem Verschlag rechts querfeldein ins Feld entschwindet. Er fährt eine Abkürzung durchs Gelände, tiefe Pfützen, er schlingert ein paar mal hin und her, er hat Spaß – und weg ist er.

Kurz vor der letzten Rast sind es noch 405 km nach „Santiago de Compostela“ geht man von 775 Kilometern Strecke aus war es bereits Halbzeit. Manche Angaben gehen bis zu 850 Kilometern – dann steht die Halbzeit noch bevor.

Schade, das wäre toll gewesen. Aber es gibt keine Wahl, weiter gehts mit starken Schnerzen an den Füßen und so laufe ich die letzten Meter humpelnd wie eine Geisha mit künstlich verjüngten und verkrüppelten Füßen auf dem Strich – meines Weges – geradewegs zur Herberge.

Es wird ausgepackt, flott geduscht, das Bett gerichtet und dann gehts zum Pilgermahl. Ich fühle mich wie frisch geboren!

#Tag 21: Halbzeit im Staffellauf

In Spanien misst man offensichtlich mit unterschiedlichem Maß, denn wir kommen immer wieder an Pilgermarkierungen am Wegrand vorbei, die die Entfernung bis zur Kathedrale von „Santiago de Compostela“ zeigen. Allerdings zeigen sie mal mehr und mal weniger Kilometer bis zum Ziel – und ja, die Marschrichtung ist konstant und ich gehe auch in die richtige Richtung.

Auf jeden Fall ist heute Halbzeit der geplanten 42 Tage. Laut den gelaufenen Kilometern dürften es noch 390 km bis zur Kathedrale sein, laut Anzeige in der Herberge sind es 405 km und im Dorf zeigt man noch 442 km. Was denn nun?

Aber im Grunde ist es mit den Kilometern auch egal, denn das Risiko liegt nicht im Mittelpunkt des Weges, sondern verlagert sich zum Südpol meiner Route und konzentriert sich auf die letzten 5 Wandertage.

Die Kandier aus unserer Gruppe haben bereits die Herbergen für die letzten 100 Kilometer gebucht. Das klingt verrückt, denn sie haben sich damit jegliche Flexibilität genommen und so stellt sich die Frage nach dem „warum“? Sie erzählen von einem drohenden Engpass der Herbergen vor „Santiago de Compostela“.

1. Zur Ostermesse möchten viele Pilger die Kathedrale von Santiago besuchen und zudem gibt es dieses Jahr ein großes christliches Fest.

2. Damit die Spannung am Anschlag bleibt, wird die Situation dadurch verschärft, dass in Spanien Feiertage an einem Sonntag, auf die folgende Arbeitswoche verschoben werden. Somit gibt es für alle Spanier an Ostern eine lange, freie und damit sehr reizvolle Pilger-Woche.

3. Um die Urkunde der „Compostela“ zu erhalten muss man keine 820km wandern. Es reichen letztendlich die letzten 100 Kilometer insofern man diese brav mit zwei Stempel pro Tag belegt – quasi ähnlich dem Bonusheft beim Zahnahrzt. Hat man am Ende einen zu wenig, ist man raus und bei diesen Stempeln setzt das dritte Risiko an.

Es gibt einen Tourismuszweig, der sich gegen Entgelt darauf spezialisiert hat, ganze Busse voll Möchtegernpilger von Herberge zu Herberge zu fahren, damit diese ihr Stempelheftchen füllen können. Da die Busse i.d.R. vor den Wanderern ankommen, nehmen sie deren wohlverdiente Ruhestätten weg.

Jetzt stelle man sich vor, dass eine Menschenschlange aus echten Pilgern wie erschöpfte Zinnsoldaten in einer Reihe steht. Nun gebe man die gesamten Pilgerfamilien der Spanier hinzu und addiert dann noch die Busreisenden Betrüger, die sich gierig und ungeduldig vom Parkplatz einschleichen. So bekommt man in etwa eine Vorstellung wie das Finale verläuft.

Nach 700km Wanderung gibt es sicherlich schönere Momente als die letzten 5 Tage auf dem Jakobsweg in einer supermarktähnlichen Schlange zu pilgern. Auch wenn man sich dort nur geringfügig drehen muss, um neue Lebensgeschichten, Erfahrungen und damit Perspektiven zu erfahren. Der bisherige Weg ist sicherlich attraktiver.

Aber was bedeutet es nun für mich? Ich müsste buchen (Herbergen und Flug) oder noch besser vor dem Wanderstau die letzten 100 km absolvieren. Aber es ist für mich noch nicht planbar (siehe nächste Zeilen) und eine Beschleunigung oder Hetze ist auch nicht vorteilhaft, denn die wird definitiv mit neuen Blasen bestraft. Ich werde in 100 Kilometern bei Leon entscheiden.

Meine Knochenhautentzündung ist dank der elastischen Binde nicht mehr spürbar – Problem gelöst. Vielleicht hat auch die Salbe geholfen oder aber die zwei Portionen Reiki. Oder alles zusammen. Egal!

Für den Merkzettel: Sehnenproblem, Knochenhautentzündung oder auch „Shin Splints“ genannt - fest sitzende elastische Bandange - fertig!

Heute ist dennoch nicht mein Tag. Ich komme nach nur 19,5km mental wirklich angeschlagen in der Herberge „Carrión de los Condes“ an. Meine unteren Gliedmaßen spielen mit mir offensichtlich Staffellauf. Kaum ist ein Problem gelöst, ist das nächste am Start.

Heute freue ich mich über ein schmerzfreies Bein und zack – da sind sie wieder, meine Wasserblasen unter dem Ballen. Die alten wurden vor Wochen erfolgreich zurückgedrängt und jetzt wollten sie doch ans Tageslicht.

Damit sie nicht so einsam sind haben sie das nebenstehende Gewebe überredet und gemeinsam 3-4 Blasen am linken Ballen gegründet. Nun sind sie da, prall gefüllt und sorgen mit deren Schmerz dafür, dass ich keinen Schnerzmangel erleide.

Ich empfinde es schon fast lästig immer nur über Wehwehchen zu schreiben, aber es tauchen ständig Neue auf. Den Rest kennt ihr im Grunde schon.

Ich gehe wie üblich ins „Centro de Salude“, möchte dort eintreten und stelle fest, dass die Türen fest verschlossen sind. Die Öffnungszeiten sind 24h an jedem Tag der Woche. Das Licht ist aus und kein Mensch ist zusehen und das fühlt sich nicht gut an. Zumal ich mich mit den ungeschützten Blasen hierher geschleppt habe. Ich klingle, klopfe, rüttle an der Tür – kein Erfolg.

Ich gebe auf und versuche es nach dem Abendessen nochmal (wir suchen im Übrigen 1h lang verzweifelt nach einem geöffneten Restaurant). Gegen 21:30 Uhr lerne ich, dass es strickte Öffnungszeiten für Wasserblasen gibt. Um 12:00 Uhr zu Mittag und abends um 18:00 Uhr genau vor dem Sandmännchen. Ganz nach dem Motto „guten Mittag Herr Blase“, vielleicht aber auch nicht, denn mit den Öffnungszeiten nimmt man es in Spanien absolut nicht genau. Schon garnicht während einem Fußballländerspiel …

Morgen Früh wird entschieden, wie es weitergeht.

Buen Camino ♥️

#Tag 12: das mentale Ding und die Apokalypse

Ich habe bis 11:00 Uhr einen wichtigen beruflichen Termin und habe mir deswegen gestern ein günstiges Einzelzimmer gegönnt.

Luxus pur! Ein Zimmer mit eigenem Bett und Bad ♥️

Ich stehe zeitig auf, verpacke meine Utensilien und die inzwischen getrocknete Wäsche in den Rucksack und bereite parallel meinen beruflichen Termin vor. Startklar & marschbereit mit geschnürten Wanderschuhen, vollständig getaped und dem ungebändigten Tatendrang zu Laufen sitze ich beim Gespräch im Badezimmer zwischen Dusche und Toilette. Warum? Ist doch klar, denn nur hier gibt es ungestören Empfang.

Nachgelagert geht es zum wohlverdienten Frühstück in der Herberge und es gibt leckeren Kaffee, Brötchen und Croissant.

Wohl gestärkt geht es weiter zum „Servico Riojano de Salud“ da ich jegliche Entzündung und damit den vermeintlichen Totalausfall durch eine Blutvergiftung präventiv ausschließen möchte. Dort angekommen muss ich eine Stunde warten und mir läuft die Zeit für meinen Weg davon. Ich will heute – trotz Regen – die Standardpilgerroute dieser „Etappe“ hinter mich bringen.

Am Empfang spricht man spanisch, aber man versteht mich mit Händen und Füßen und ich bekomme eine Zimmernummer mit Uhrzeit zugewiesen. Damit sie mir nicht versehentlich den Fuß amputieren, übersetze ich schon mal meine Geschichte auf spanisch, da ich schnellstmöglich zurück auf den Weg möchte.

Ergebnis: alle Maßnahmen von meinen virtuellen Freund:innen waren perfekt – alles Bestens! Keine Bandagen mehr, nur noch die einstige Wasserblase hat noch einen Rest an Schwabbel behalten. Der Rest meiner immer noch namenlosen Freunden ist vorbildlich gedörrt. Entsprechend geht es weiter, die nächsten Medikamente (Mercromina ein antiseptisches Mittel das die Blasen sehr schnell austrocknet) in der Apotheke kaufen, damit ich bald als portabler Pharmastand aus dem Rucksack Medikamente in Einzeldosen an vorbeiziehende Pilger verkaufen kann.

Um 13:40 Uhr geht es endlich los und erst mal an auf dem Felsen nistenden Klapperstörchen vorbei. Ich starte zu der Zeit, wo ich üblicher Weise in meiner Herberge ankommen würde. Und ja, ich möchte immer noch unbedingt ca. 22,5 km nach „Santo Domingo de la Calzada“ wandern, um dort in die Gemeindeherberge mit über 250 Betten zu übernachten.

Klapperstörche nisten auf der Spitze des Felsen und geben mir den Takt vor

Ich laufe mit maximaler Geschwindigkeit und halte das Niveau – zumindest die ersten sechs Kilometer. Dann ist Zeit für eine kurze Pause auf der wohl einzig trockenen Bank im Dorf. Anschließend geht es – sagen wir mal bedingt motiviert – bei Regen weiter in die Weinberge.

Gestern noch habe ich mich über lehmigen Boden gefreut, da er die Füße schont. Heute habe ich genug davon, danke! Er klebt nass, gefühlte Meter hoch unter meinen Füßen – und so hat mir Mutter Natur quasi die biologisch abbaubaren Highheels zu meinen Nylonsocken verpasst.

Nicht sonderlich schön, aber – sagen wir mal – wenigstens besonders herausfordernd. So eile ich mit schwerem Schlamm unter meinen Füßen mit Gegenwind und Regen der Erschöpfung entgegen. Ein schier endloser Weg gegen den Wind. Alle Meter schaue ich ernüchtert auf mein Navi und erlebe den Fortschritt – nur eben in Zeitlupe.

Noch ein wenig traumatisiert vom ersten Tag, laufe ich mit großem Respekt einer Steigung von weniger als 260 Höhenmeter am Ende meines Weges entgegen. Der Weg zieht sich wieder wie Kaugummi – nur mit gefühlt maximaler Geschwindigkeit – da mir die Steigung kurz vor dem Ende wie Blei im Nacken sitzt. Wieder eine mentale Blockade – doch es geht höher, höher, höher und höher. Ich denke ehrfürchtig: wie schlimm vermag nur die letzte große Steigung sein? Es sind immer noch 6 km bis zum Ziel.

Ich bin am Ende, kann und mag nicht mehr und plötzlich kommt ein Aussichtsplatz, der mich mit dem einzig trockenem Platz im Windschatten eines Baumes zur Rast einlädt. Ich trinke etwas und spüre wie die Kälte in mich zieht.

Ich mache rast und will mir im nächsten Dorf ein Taxi nehmen – die Steigung zum Finale setzte ich dieses Mal aus – und der Gedanke der Vernunft gibt mir Kraft. Mit dieser Motivation sehe ich mir die geleisteten Höhe meiner bisherigen Wanderung an und mein Herz beginnt wieder zu schlagen, es schöpft neue Energie. Die zurückliegende Steigung war das Problem kurz vor Schluss. Ich werde die restlichen sechs Kilometer laufen – ich werde gewinnen!

Plötzlich vorbei – das mentale Ding!

Gegen 17:23 Uhr betrete ich das letzte Dorf vor dem Ziel und bemerke nach einer Weile, dass alle – wirklich alle – Rolläden des Dorfes herabgelassen sind. Und das obwohl noch 2 Stunden bis zum Sonnenubtergang verbleiben.

Ich laufe weiter und stelle fest, das nirgendwo ein Licht brennt und auch kein Mensch zu sehen ist. Eine Zombiestadt nach der Apokalypse? Nein, der einzig valide Beweis, dass es doch noch Überlebende gibt, sind Golfer die aus einem regengeschütztem Verschlag heraus ihre Bälle in die Ferne klopfen. Ein wenig weiter zielt ein Kind von der anderen Straßenseite mit seinem Golfball und Schläger auf mich und ich beschließe lieber schnell weiterziehen, bevor ich die Treffsicherheit des vermeintlich Untoten am eigenen Leib verspüren muss.

In der „Albergue“ angekommen wird flott ausgepackt und ich folge gegen 19:30 Uhr den Essenstipps meiner dortigen Pilgerkollegen. Das erste Restaurant hat inzwischen geschlossen, das zweite auch. Es gibt Bars, lasse ich mir von einem weiteren Restaurant das noch im Aufbau ist sagen, die finde ich jedoch nicht. Also weitersuchen … nichts … und so setze ich mich in ein Nobelrestaurant und warte bis 20:00 Uhr, denn dann soll angeblich ein Restaurant in der Nähe der „Albergue“ öffnen. Und siehe da – plötzlich sind mehrere Lokalitäten just in der Nähe der Herberge geöffnet und ich bekomme ein dreistufiges Pilgermenü – mit einer Flasche Wein (15,00 Euro).

So komme ich (un)dankbar für die überflüssigen Kilometer, aufgrund ungepflegter Öffnungszeiten bei Google, in der Herberge an und stoße gerade noch rechtzeitig zur Geburtstagsfeier einer Spanierin, die mir seit gestern immer wieder mit ihrem Freund begegnet. Also sitzen wir beisammen, zwei Vietnamesinnen, ein Mexikaner, ein Spanier und das Geburtstagspaar und feiern.

Von meiner lieben Familie ♥️ habe ich heute Morgen ein wunderschönes sehr passendes Gedicht zugeschickt bekommen und das muss ich mir nochmal vor der Nachtruhe einverleiben. Danke für die Muse! Ich will es zum Abschluss des Tages dem alten Olivenbaum widmen:

Gestutzte Eiche (heute: Olivenbaum)

„Wie haben sie dich, Baum, verschnitten
Wie stehst du fremd und sonderbar!
Wie hast du hundertmal gelitten,
Bis nichts in dir als Trotz und Wille war!
Ich bin wie du, mit dem verschnittnen,
Gequälten Leben brach ich nicht
Und tauche täglich aus durchlittnen
Roheiten neu die Stirn ins Licht.
Was in mir weich und zart gewesen,
Hat mir die Welt zu Tod gehöhnt,
Doch unzerstörbar ist mein Wesen,
Ich bin zufrieden, bin versöhnt,
Geduldig neue Blätter treib ich
Aus Ästen hundertmal zerspellt,
Und allem Weh zu Trotze bleib ich
Verliebt in die verrückte Welt.“

(Hermann Hesse)

#Tag 11: er ist dann mal weg

Ich träume bis zum Morgengrauen von meinen Füßen – das hat man nicht oft, es sei denn, man ist Fußfetischist – und bin frustriert, als meine sechs nur flüchtig bekannten Zimmergenoss:innen packen und bereits vor 8:00 Uhr weiterziehen.

Feinstrumpfhosen unter den Wandersocken reduzieren die Reibung und damit Blasenbildung. Leider habe ich sie zu spät eingesetzt.

Vielleicht liegt die nächtliche Sehnsucht an der Sorge vor einer Entzündung oder aber den Schmerzen, vielleicht aber auch an meinen schicken Feinstrumpfhosen unter den Wandersocken? Immerhin hätte ich es mir nie träumen lassen, dass ich mal eigene Laufmaschen habe. Warum ich von den Füßen träume? Ich weiß es nicht und es ist mir im Grunde auch egal. Ich möchte gerne unbeschwert weiterwandern, aber das ist vermutlich nicht das Ziel des Weges – fürchte ich.

Eine Pilgerfreundin (aus dem www) schrieb mir kürzlich „Ich hab die Erfahrung gemacht, dass der Camino unser altes Ich „zertrümmert“ und aus den Trümmern unseres alten Ichs uns neu zusammen setzt!“ … und ja, ich glaube, dass so etwas durch den Schmerz, die vielen schönen Dinge und die lange Zeit mit sich selbst passiert. Ich bin sehr gespannt was sich in meinem Leben verändert und freue mich neugierig darauf.

Noch im Bett ruhend, aus Angst vor dem Aufstehen und dem möglichen Schmerz (=Wanderstop), ist die Zeit gekommen einen ersten Blick in mein Schatzbuch zu werfen, welches ich vor meiner Abreise geschenkt bekommen habe. Die Zeilen, die ich von meiner Freundin Sany lese sind wunderschön, sie tun gut, wärmen das Herz und lassen mich positiv gestimmt aufstehen. Kein Schmerz – und vor allem – danke für deine Liebe ❤️

Mein ganz persönlicher Begleiter auf dem Jakobsweg. Mein Schatzbuch vollgepackt mit Fotos, Buchstabenfolgen aus Liebe 🏡

Wer meinen Blog halbwegs regelmäßig verfolgt vermisst die Fotos vom grandiosen Frühstück und üppigem Abendessen. Der Weg hat mich umgerüstet, es gibt Nüsse, Brötchen aus dem Supermarkt – als Pausensnack unterwegs auf einem Stein und zum Abendessen was sparsames, vielleicht eingünstiges Pilgermenü. Geht auch!

Frühstück auf einem Stein am Wegesrand. Neben meinem Magen freut sich mein Rücken und die Füße.

Ich laufe erstmals dank der Fersenschaumstoff-Puffer (siehe Fußfoto) aus der Ambulanz gestern Abend schmerzbefreit und spüre nur noch das Mehrgewicht meines Rucksacks in meinen Hüften. So geht also das Spiel? Kommt jetzt jede Körperstelle einzeln dran? Vermutlich besser so, als alles auf einen Streich.

Nicht sexy, aber das Erste was hilft. Der Schaumstoff federt jeden Druck von der Blase erfolgreich ab und sieht in etwa aus, wie ein Serano-Schinken. Grandios!

Egal, zwischen den endlosen Weinreben – am Ende habe ich vermutlich jede Rebsorte aus Spanien durchlaufen – bemerke ich einen Stein im linken Schuh und halte neben einem Graben. Ich denke noch – da darf der Wanderschuh nicht hineinfallen und plums: er ist dann mal weg!

Er ist dann mal weg – mein Schuh …

Zum Glück habe ich meine Wanderstöcke am Rucksack. Ich ziehe sie auf volle Länge aus und denke dabei an ein YouTube-Video über Wanderstöcke nach, das ich in meiner Vorbereitungsphase angesehen hatte, wo ein erfahrener Wanderer eine volle Stunde lang über Wanderstöcke sinniert. Er hat dabei wirklich alles an Vor- und Nachteilen erwähnt (sogar, dass man mit dem Wanderstock seinen Sitzplatz von Schafkötteln befreien kann), aber glatt vergessen, dass man mit ihnen hervorragend Schuhe bergen kann. Erleichtert darüber, dass es so einfach ging, ziehe ich den Schuh wieder an und weiter gehts.

Bereits um 14:00 Uhr komme ich nach 18 km Wanderung in der Herberge in „Nájera“ an und freue mich, noch so viel Zeit zu haben. Die Strecke gestern und heute wären unter normalen Umständen eine Tagesstrecke gewesen. Ich liege durch die Blasen ca. drei Tage (ca 60km) hinter der verbliebenen Pilgerfamilie zurück. So ist es eben und daher widme ich mich erst mal meiner häuslichen Pflichten.

Als ich meine Wäsche von Hand wasche und über meine Leine quer durchs Hotellzimmer zum trocknen hänge, sehe ich im Spiegel Schatten auf meinen Beinen. Krass – das ist meine Oberschenkelmuskulatur, die ich seit der Kindheit nicht mehr zu Gesicht bekommen habe – sie lebt noch (oder wieder?).

Und noch etwas hat sich verändert. Seit heute kann ich wieder meine Füße sehen „sie sind wieder da!“. Warum? Na klar, da sich mein Bauch sukzessive zurück entwickelt.

Neben dem Schmerz zeigen sich also viele kleine positive Veränderungen. Gerne mehr von den positiven Stimulanzien!

♥️ Danke Camino Francés ♥️ danke an alle, die mir diese Erfahrungen ermöglichen ♥️

#Tag 10: ganze 3,4%

Mein Leben dreht sich derzeit um 3,4 % meiner Körperoberfläche, die ich für einen kleinen Moment unachtsam behandelt habe.

Es geht um vier Blasen – ihr kennt sie schon – eine ist inzwischen fast weg, eine ist blutunterlaufen aber schmerzfrei, eine ist kleiner und fühlt sich gut an, eine ist wieder mit Wasser prall gefüllt und damit auf dem gleichen Stand wie vor drei Tagen. Vielleicht sollte ich ihnen Namen geben, da sie ja offensichtlich verweilen wollen?

Ich habe sie zwei Tage geschont, keine Schuhe, kein Zimmer verlassen, sogar meine Badewanne überlistet, damit kein Wasser eindringen kann und dann ist fast alles beim Alten? Ich würde sagen: ich bin enttäuscht!

Ich stehe früh (8:00 Uhr) auf, um einen Apothekemarathon zu absolvieren. Ich stelle fest, dass die Situation in spanischen Apotheken fast genauso ist wie in Deutschland: die Apotheken haben nichts vorrätig und man muss mehrere anlaufen, um alle benötigten Produkte und Medikamente zu erwerben. Zumindest Ersatzprodukte, die Originalprodukte haben sie natürlich nicht!

Nach dem Einkauf schleppe ich meine Beute auf mein Zimmer und packe begierig aus. Es ist erstaunlich wie viel Müll die Pharmaindustrie produziert. Im linken Foto seht ihr die verpackte Ware und rechts ausgepackt.

Nach dem Einkauf mache ich mich ans üppige Frühstück und danach werden meine Blasen behandelt. So der Plan! Nachdem das Krankenhaus in Noroño offensichtlich nichts gebracht hat – vertraue ich auf alternative Methoden. Also steche ich die gefüllte Blase (ohne Blut) mit einer sterilen Spritze auf und entziehe 5 ml Blasenflüssigkeit (das kann sich sehen lassen) und hebe anschließend etwas Wunddesinfektionsmittel hinein (ähnlich Betaisdona). Es brennt. Wieder Desinfektionsmittel von außen drauf, eine antibiotische Salbe dazu und nun wird das Ganze unter Pflaster und Tapes vergraben.

Jetzt kommt – und das ist der Hammer – ein Nylonstrumpf drüber, um die Reibung zu minimieren. Man sagt, dass der Jakobsweg die Persönlichkeit verändert – vielleicht komme ich ja Strumpfhosen und Highheels und Minirock nach Hause?

Ich schaue mir die Tagestour an (kleinst Mögliche Strecke) und entdecke den „Ebro“ – einen Fluß. Wie ein Blitz schlägt er in meinem Kopf ein und ich überlege, ob ich eine Angelpause am „Rio Elbro“ einlege. Der „Rio Ebro“ ist „DER“ Fluss welcher für Waller über 300 cm weltbekannt und das Ziel vieler Angeltouren ist – er liegt zufällig vor meinen Füßen. Nur 500 Meter Entfernt fliest mein Angeltraum dahin!

Nein, ich möchte zurück auf den Weg. Also starte ich und soll schon bald feststellen, dass mein Rücken durch die zwei Tage Pause wieder auf Null gesetzt wurde (ok, ich hab auch viel zusätzlichen Balast eingekauft) und watschle mit meiner Schonhaltung den Weg entlang. Dieses Mal jedoch ohne Schmerzmittel, da ich die Signale meines Körpers nicht länger ignorieren möchte. Hier ein dickes Dankeschön, an meine geliebte Sany – für deren eindringliche Worte wegen des Risikos zu scheitern, insofern ich nicht mehr auf mich achte.

Der Pinguinlauf wird langsam zur Normalität. Heute mit Nylonsocken 😂.

Auf dem Weg aus Logroño heraus gehe ich meine eigene Route und komme ganz zufällig an einem Decathlon vorbei (den suche ich schon lange). Dort kaufe ich noch ein Tape zur Blasenprävention.

Auf einer wenig herausfordernden Strecke werde ich ständig von Fußgängern überholt. Ich bin frustriert aber dennoch dankbar, das ich wenigstens 15 km weitergehen werde. Ich habe dabei viel Zeit und mache am See „Pantano de La Grajera“ eine lange Pause und beobachte drei Angler. Sie fangen Seeforellen (mit Grundblei) und ich freue mich für sie.

Als ich wieder aufbreche, komme ich an ein Seerestaurant und werde von einem Eichhörnchen begrüßt, verfolgt und letzendlich zur Einkehr überredet. Ich möchte einen Kaffee trinken. Der Kellner spricht kein Englisch (wie fast alle hier) aber einen Kaffee auf spanisch bestellen ist kein Problem für mich: „Un gran café negro con zucket“ bestelle ich stolz und bekomme prompt eine „Cola Zero“ geliefert. Läuft – zumindest das „groß“ und „schwarz“ hat er verstanden.

„Un gran café negro con zucket“

Ich komme sehr langsam vorwärts und erst nach 6 Stunden Marsch in der Herberge in „Navarrete“ an. Normaler Weise wäre ich in dieser Zeit ganze 24 km gewandert. Aber gut – ich bin weiter!

In der Herberge angekommen, sehe ich nach meinen „3,4 % Leid“ und stelle fest, dass inzwischen alle Blasen gut unter Saft stehen. Ich zocke also eine neue sterile Spritze, desinfiziere die Wunden und sauge sie leer. Zur Sicherheit frage ich nochmal um Rat und bekomme den Tipp lieber direkt ins Gesundheitszentrum zu gehen. Ich habe genau 15 Minuten Zeit, um das Ziel zu erreichen bevor sie schließen. Es bleibt also spannend!

Also haste ich los und komme gerade noch pünktlich. Statt mir die Blase noch mal zu leeren kleben Sie mir neue Pflaster darüber und geben mir diverse Pufferstützen zum Wandern dazu.

Ich frage sie warum sie die Blasen nicht leeren und sie erklären mir, dass die Blutblase absolut steril gehalten werden muss. Hmmm – da war doch was – ich habe mit der Sprize darin rumgerührt und versucht sie leer zubsaugen?! Ich erzähle von meiner Tat und sie sind entsetzt: ich soll übermorgen zur Kontrolle ob es sich entzündet – na super!

Aber gut, meine Schuld – als „Belohnung“ gibt es am Rückweg erst mal ein (wirklich) großes Bier und einen Keks zum Abendessen.

Abendessen!

Tag 9: Zum Frühstück eine Prise Fremdreflektion gepaart mit Wasserblasenbehandlung

Das Symbol der Jakobsmuscheln kennzeichnet den Weg (die verjüngte Seite ist die Laufrichtung) und stammt vom heiligen Jakobus, dessen Gebeine in Santiago di Compostela ruhen. Er trug stets eine Jakobsmuschel am Hut und Gürtel – quasi sein Markenzeichen.

Maria ist jetzt seit 8:30 Uhr zurück auf unserem Jakobsweg und folgt den Jakobsmuscheln mit ihrem Herzen und ihrem Glauben. Ich wünsche dir viel Erfolg!

Ich sitze dagegen um 9:30 im Speisezimmer des Hotels zum Frühstück (draußen gewittert es und regnet in Strömen) und gönne mir leckeres Rührei mit Speck, Seranoschinken und als Butterersatz gibt es „Bruschetta“ mit Olivenöl. Letzteres ist übrigens eine wesentliche Verbesserung zur herkömmlichen Frühstückserfahrung. Dazu gibt es sechsfachen Espresso und frischgepressten Orangensaft.

Als Alternative zur Butter gibt es in Spanien Bruschetta und Olivenöl- Wahnsinn!

Ich geniese es, ohne Sorge eine Unmenge an Kalorien aufzunehmen, da ich ab morgen wieder 3.000 Kalorien auf dem Weg verbrennen möchte. Ist das nicht schön?

1. Fremdreflektion

Ganz alleine beim Frühstück bleibt die Zeit, den persönlichen Gedanken freien Lauf zu lassen (nicht nur beim Frühstück). Der Camino dient der Selbsterfahrung und dazu seine innere Stimme zu schärfen, seine Grenzen zu erfahren, neue Optionen zu entdecken und Perspektiven zu schaffen. Dabei geht es auch um Fremdwahrnehmung und die persönlichen Stärken. Ich hatte gestern Abend die Idee die Pilgerfamilie zu fragen, ob wir jeweils eine Profilbeschreibung von den anderen machen sollen, sprich mit welchem Mehrwert haben wir die Gruppe ergänzt?

Mein Beitrag zur Gruppe war demnach die Inspiration, Überzeugungskraft, Aufmerksamkeit und Motivation durch meine Hartnäckigkeit (60 km mit großen Blasen). Besonders freut mich das Feedback, dass ich mit meinen „Gedanken und Denkanstößen“ meine Mitstreiter dazu angeregt habe, aus verschiedenen Perspektiven über das eigene Leben nachzudenken und gemeinsam über das Leben zu lachen. Sie sagen „mit meinem Weitblick habe ich geholfen, eine wunderbare Welt zu entdecken“ und die „Familie“ mit meiner Art „integriert“ habe und genau das ist es, was ich mit meiner potentiellen Selbständigkeit erreichen möchte. 

Ich möchte mit SOLSUC anderen Unternehmen helfen, neue Potentiale zu erschließen und die Mitarbeiter als hoch motivierte, reflektierte agile Teams zusammenzufügen, die Spaß an ihrem Einsatz haben und damit echte Mehrwerte fürs Unternehmen schaffen. Das passt schon mal!

Ich selbst habe von unserer „Pilgrim Familia“ aber auch gelernt, dass ein Selbständiger „always on“ bedeuten kann. Es gibt kein Geld, wenn man nicht aktiv ist und die Nachfrage bestimmt den Einsatzzeitpunkt. Ich sehe hier das Risiko für mich, dass ich womöglich durch meine hohe Motivation/ Einsatzbereitschaft kein Ende finden werde. Auf ein Ausgewogenes „Work-Life-Banance“ muss ich wohl besonders achten!

Jetzt aber geht es erst mal zurück ins Hotelzimmer, ab aufs Bett mit dem Ziel die Heilung meiner Blasen zu begünstigen. Ich habe Zeit und schaue in die Socialmedia Kanäle … und siehe da …

2. Wie behandelt man Blasen auf dem Camino Francés?

Mein Blog hilft mir, nachdem ich ihn vorgestern in einer deutschsprachigen Facebookgruppe zum Thema „Camino Francés“ publiziert habe. Die unbekannten Mitleser kommentieren meinen Beitrag und ich bekomme ungefragt viele wertvolle Tipps zum Umgang mit Blasen. Ist das nicht toll? An dieser Stelle mein dickes Dankeschön an alle – insbesondere an Heidi T. T. aus Spanien!

Da ich nicht der einzige Pilger bin, mit diesem Problem, fasse ich die Ergebnisse nachfolgend zusammen (natürlich ohne Gewähr). Ich markiere die Wörter fett, die zusammen eine Einkaufsliste ergeben.

Nylonstrümpfe beugen Blasenbildung vor, da sie die Reibung zwischen Socken und Füß minimieren.
a. Blasen vorbeugen: 
man trägt Nylonsocken unter den Wanderstrümpfen gegen unnötige Reibung, stabilisiert die Haut an gereizten Stellen mit Kinesiologie-Tape bzw. „Omnifix“ von Hoffer.

Spürt man Reibung am Fuß, zieht man zwei Paar Socken über einander und reduziert damit das Blasenrisiko erheblich. Am besten fixiert man die Stelle noch präventiv mit Omnifix - in mehreren Lagen.

Vor dem Wandern cremt man sich seine Füße mir Hirschtalg ein. Das reduziert die Reibung zusätzlich. Und wenn ein Fuß zwackt sofort nachsehen, ggf. Mull bzw ein mullpföaster mit Omnifix über der leicht geröteten Stelle fixieren. Auch ein weißes Tape von Decathlon eignet sich bestens. Es wird einfach auf die gereizte Stelle aufgeklebt, solange noch keine Wasserblase sichtbar ist.

Die Füße müssen während dem wandern trocken sein - das vermeidet Wasserblasen. Dazu trägt man am besten Merino Socken und gönnt den Füßen bei jeder Pause frische Luft. In extremen Fällen tauscht man die Strümpfe mehrfach am Tag aus.

Die Schuhe müssen für sehr große Wanderstrecken (wie den Camino Francés) um 1,5 Größen größer gekauft werden, da die Füße stark anwachsen. Misst, meine sind nur 0,5 Größer!

Anleitung zum Schuhebinden: Wanderschuhe richtig schnüren. Die richtige Schnürtechnik entlastet den Fuß individuell und sorgt für festen Sitz zur Blasenprävention.
b. Behandlung geschlossener Blasen: 
Vorhandene Blasen schont man mit einem Lochpflaster (Lebewohl Druckschutzringe Oval - davon zwei übereinander und/oder Gehwol Schutzpflaster dick, 4 St) und schafft damit ausreichend Abstand zwischen Schuh und Blase - dann kann man weiterwandern! Blasenpflaster von Compeed sind laut einheitlicher Meinung reines Gift (nicht repräsentativ), da sie die Haut aufweichen und die Blase beim wandern vergrößern. Gut dass die Apotheke gestern geschlossen hatte und ich keine nachkaufen konnte! Gefüllte Blasen die nicht entzündet sind, behandelt man wie folgt: Blase ausreichend desinfizieren, mit einer Spritze durch die angehobene Haut stechen und die Flüssigkeit entziehen, dann in die Spritze „Betadine“ aufziehen und durch das gleiche Loch in die Blase spritzen (sodass sich die offene Haut unter der abgehobenen Haut verschließt). Zum austrocknen der Blasen trägt man Mercromina in rot auf, ein antiseptisches Mittel, das wirklich innerhalb eines Tages die Blase trockenlegt. Auf keinen Fall sollte man die abgehobene Haut entfernen (Entzündungsrisiko)!!! Alles desinfizieren, danach die Blase mit „Blastoestimulina“ (oder der Creme aus Fromista (s.u.)) einschmieren, Wundauflage von Cosmopor E drauf und fest zukleben mit Omnifix, fertig!

WICHTIG: Blutblasen müssen steril gehalten werden. Sie dürfen nicht manuell geöffnet werden. Am Besten damit zum Gesundheitszentrum, doer gibts dann Schoner um weiterzuwandern.
c. Offene Blasen und entzündete Blasen 
werden ebenfalls mit „Blastoestimulina Pomada al 1%“ versorgt. Man sollte aber auf jeden Fall einen Arzt aufsuchen.

Zum Schluß gibt es zu den vielen anderen Empfehlungen noch zwei Geheimtipps.

Erstens: der Apotheker Juan Ramón Rodríguez MedinaAv. del Ingeniero Rivera, 21, 34440 Frómista, Palencia der eigene Wundersalbe gegen Blasen am Fuß hergestellt.

Zweitens: sobald die Blasen eine erste Schutzschicht haben, die das rohe Fleisch bedeckt, kann man jeden Abend ein Fußbad mit lauwarmen Wasser und einem Spritzer Essig machen (wirkt desinfizierend). Dazu gibt es eine große Brise Salz (trocknet die Blase aus)! Nach dem Fußbad soll man die Füße an der Luft trocknen lassen. Man sagt, dass die Blasen dadurch sehr schnell verheilen.
Schaumstoff Fersenschutz. Das entupuppt sich bei mir als Wunderwaffe. Denn mit diesem kann ich seit Tagen trotz großer Blasen erstmals wieder schmerzfrei weiterwandern.