Marktplätze ein Allheilmittel?

Was die großen Machen ist „Best Practice“?

Alle großen e-Commerce-Player betreiben Marktplätze! Egal ob Amazon, Zalando, Otto, Kaufland oder Douglas – sie erzielen viele Millionen Euro Umsatz, Wachsen exponentiell und werden als Vorzeigebeispiel im e-Commerce geführt. Es kommt der Verdacht auf, dass Marktplätze das e-Commerce-Modell der Zukunft sind und entsprechend herrscht vielerorts Goldgräberstimmung.

Ist dem wirklich so und für wen eignen sie sich tatsächlich?

Im Ranking der Onlineshops dominieren 2020 Marktplätze und alle Softwarehersteller versuchen diesem Trend schnellstmöglich gerecht zu werden. Doch ist Marktplatz wirklich ein Allheilmittel für erfolgreiche Unternehmen und maximales Wachstum? Natürlich nicht …

Unter welchen Bedingungen eignen sich Marktplätze für Unternehmen?

Marktplätze sind die Königsdisziplin für bewährte Digitalunternehmen (meist zehnjährige eCommerce-Erfahrung) mit solider Kundenbasis und organischer Onlinereichweite. Der Marktplatz ist für sie eine logische, wachstumsgetriebene Weiterentwicklung ihrer Strategie.

Erfolgreiche Marktplätze fokussieren sich am Ende auf ein reines Plattformgeschäft über Services und haben das Ziel den Wettbewerb auf der eigenen Plattform als neutraler Plattformbetreiber zu fördern.

Erfolgreiche Marktplätze lieben Wettbewerb

Erfolgreiche Marktplatzbetreiber müssen die Neutralität des Wettbewerbs anstreben, um ausschließlich zugunsten der Endverbraucherinteressen zu priorisieren und interne Unternehmensinteressen abzuwehren.

Erfolgreiche Marktplätze sind kein geeigneter "zusätzlicher Vertriebskanal" für Unternehmen, die Wettbewerbskonflilkte zugunsten herkömmlicher Vertriebsstrukturen scheuen. 

Erfolgreiche Marktplätze richten sich am Konsumenten aus

Erfolgreiche Marktplätze sind mehr als eine einfache Vollsortimentsstrategie mit minimierten Lagerhaltungsrisiko. Marktplätze brauchen eine kundenzentrierte Produktvision und einen relevanten Wettbewerbsvorteil. Dieser speist sich idealer Weise aus der DNA – der Kernkompetenz – des Unternehmens und dient der relevanten Differenzierung.

Marktplätze müssen einen relevanten Kundennutzen befriedigen und dürfen sich nicht an internen Anforderungen und Bedürfnissen des Plattformbetreibers orientieren.

Erfolgreiche Marktplätze haben langfristige Investoren

Erfolgreiche Marktplätze werden aus einer Position der Stärke gegründet (langer Atem) und eigen sich für marktführende Unternehmen (Umsatz >500 Mio. Euro) mit einem bei der Zielgruppe bekannten Brand (ungestützte Markenbekanntheit > 15% online) in Märkten sehr hoher, regelmäßiger Nachfrage und mit hoher Produktvielfalt.

Zunächst erhöhen Marktplätze die technologische und organisatorische Komplexität vom „gewöhnlichen eCommerce“ um mindestens Faktor 3. Viele Rollen müssen (sofern keine reine Plattformstrategie) aus doppelt besetzt werden: einmal aus Sicht des Plattformbetreibers und einmal mit der Perspektive des Verkäufers – damit ein gesunder Wettbewerb im Sinne des Endverbrauchers geschaffen wird und kein unerlaubter Wissensaustausch bei marktbeherrschender Stellung (BDSGVO) möglich ist.

Marktplätze brauchen eine langfristig visionär getriebene Investitionsbereitschaft (viele Millionen Euro) um neben der Technologie und notwendigen Organisation (mindestens ca. 2-3 Mio jährliches Personalinvest) auch die notwendige Relevanz und Reichweite über das Onlinemarketing (mind. 4 Mio. Euro Werbeausgaben zur Reichweiten-/Leadgenerierung) zu schaffen, um die Verkäufer auf dem Marktplatz zufriedenzustellen.

Marktplätze brauchen viele Jahre bis zur Rentabilität und schaffen über agile Lernzyklen zusätzliche, monetarisierbare Services - wenn die Investitionsbereitschaft stimmt und eine flexible Technologie gewählt wurde!

Erfolgreiche Marktplätze setzen auf digitalisierte Händler

Marktplätze benötigen digitalisierte und erfahrene Verkäufer mit einer Fehlerquote von unter einem Prozent. Jeder Fehler eines Marktplatzverkäufers – z.B. Lieferverzögerungen durch langsame Logistikprozesse, nicht automatisierte Retourenprozesse, konstante Lieferfähigkeit oder Kundenfreundlichkeit im Customer-Care – wirken sich nachteilig auf das Image des Marktplatzbrand und die Kosten der Neukundengewinnung aus. Fehler der Verkäufer können im schlimmsten unternehmenskritisch werden und daher ist eine ausreichende Betreuung und Steuerung der Marktplatzverkäufer von sehr hoherer Priorität (Lieferantenonboarding).

Kundenorientierte und prozessoptimierte Verkäufer verhelfen Marktplätzen zu gesundem und nachhaltigem Wachstum. Digitalisierung first!

Welche Anforderungen stellen digitale Marktplätze an die Organisation und Prozesse von Unternehmen?

Marktplätze setzen eine agile Organisation, optimierte, langjährig eingeschwungene und automatisierte Prozesse in der Artikelanlage, Artikeldatenmanagement, im Kundenservice, sowie der Kundengewinnung und Kundenbindung voraus. Zudem sollten im besten Fall kostenintensive Prozesse wie Logistik und Payment am Besten in eigener Hand liegen um Prozesskosten zu minimieren und eigenständige, reife Services für die Marktplatzverkäufer erarbeiten zu können.

Erfolgreiche Marktplätze entwickeln sich aus dem Bedarf der Endkonsumenten und Verkäufer und brauchen eine agile Organisation mit gelebter Fehlerkultur. Das Scheitern ist das Potential von Morgen!

Welche Wachstumschancen bringen Marktplätze und wie rentabel sind sie in der Initialisierungsphase?

Viele Marktplätze fokussieren sich auf eine reine Vollsortimentsstrategie und wollen den vollständigen Wettbewerb ihrer Branche auf ihrer Plattform abbilden. Sie steigern damit die Wahrscheinlichkeit, dass kostenintensiv gewonnene Besucher auf der eigenen Seite konvertieren und nicht bei Amazon & Co. abschließen.

Rechnet man mit einer marktüblichen Umsatzprovision von 15-20% auf der Einnahmeseite eines Marktplatzes und stellt dieser das Online-Werbemittel-Spending (KUR 5-60%), die Paymentkosten pro Transaktion für mutiple Warenkörbe (mindestens ca. 4%), Logistikkosten (im Falle von Logistikservices ca. 12-15%), sowie Lizenzen und den Personalaufwand für ein marktplatztaugliches eCommerce-System und Customer Care gegenüber, wird klar warum der digitale Reifegrad von Marktplatzbetreibern weit fortgeschritten sein muss, um Kostendeckend zu wirtschaften.

Auch wenn die variablen Kosten teilweise an den Verkäufer übertragen werden können, ist der profitable Marktplatz immer eine mischkalkulierte Vision, die über viele zusätzliche Services finanziert werden will.

Die Vision reift dadurch, dass diese Services (Warenwirtschaftssysteme, Customer Care on Demand, Logistik-Services, digitale Prime-Modelle, Eco-System, …) am Bedarf der Marktplatzpartner entwickelt und kostenpflichtig zur Verfügung stellt.

Marktplatz ist für Marktführer die ihre Marktführung strategisch und kundenzentriert ausbauen wollen und uneingeschränkt bereit sind, ihr Kerngeschäft vollständig in die Digitalisierung zu verlagern.

Was sind die Schwachstellen von bestehenden Marktplätzen?

Die größte Stärke ist auch bei Marktplätzen wie so oft, die größte Schwäche. Das nahezu grenzenlose Sortiment ist unüberschaubar, der Wettbewerb riesig und vor allem muss alles automatisiert und damit Standardisiert werden. Ein Müsliriegel wird genauso verkauft wie ein High-End-Fernseher.

Die Käufer brauchen jedoch je nach Warengruppe völlig andere Informationen, sie benötigen Produktvergleiche und echte Beratung. Hinzu kommt, dass findige Verkäufer die Kunden mit Falschinformationen ausstatten und dadurch Vertrauen in den Marktplatzbetreiber verloren geht.

Fazit: Marktplätze brauchen eine hohe (online) Markenbekanntheit und eine große Reichweite und zuverlässige Verkäufer mit digitalisierten Prozessen. Ihr Erfolg basiert auf langen Lernkurven und der daraus erschaffenen Mehrwerte für Konsumenten und Verkäufer. 

Marktplätze benötigen eine solide Strategie, relevante Wettbewerbsvorteile und sehr viel Kapital. Echte Marktplätze werden zu Plattformen und können damit langfristig rentabel werden. Marktplätze sind keine kurzfristige Lösung, sondern ein langfristiges Invest.