Das geht mir an die Nerven!

Unterkomplexe Nervensysteme scheitern an komplexen Problemen – die agile Organisation schafft Abhilfe

Vorab: Ich treffe immer wieder Menschen, denen der Unterschied zwischen einfach, kompliziert, komplex und chaotisch – nicht geläufig ist. Dieser Unterschied ist meiner Meinung jedoch für das Verständnis der Probleme in unserer ökonomischen Welt essenziell.

Warum? Jedes Problem sucht seine Lösung und es gibt einfache, komplizierte, komplexe und chaotische Probleme. In unserer (noch?) globalen Marktwirtschaft mit hohem Digitalisierungs- und Innovationsgrad und dem wachsenden Anspruch junger Arbeitnehmer, sind bislang nahezu alle Probleme komplex. Zur Lösung und Steuerung eines komplexen Problemsystems braucht es laut dem Kybernetiker Ashby ein ebenso komplexes Lösungssystem.

Betrachten wir unser Gehirn als unser persönliches Lösungssystem. Es ist unser Zentralnervensystem, das aus einem Peripherie-Nervensystem, Rezeptoren und Effektoren besteht. Es ist gespickt mit Eindrücken und Erfahrungen aus unserer ganz persönlichen Evolution – unserer Geschichte – und ist unser einziges Mittel, um mit unserer komplexen Welt adäquat umzugehen. An manchen Tagen gelingt das gut, an manchen eben nicht.

Unser Nervensystem ist in der Lage, mit komplexen Entscheidungssituationen umzugehen, kann dies mangels persönlichem Perspektiv- und Erfahrungsreichtum nicht perfekt und reagiert im Vergleich zur komplexen Umwelt in den meisten Fällen unterkomplex.

Deshalb geht bei unseren Handlungen sehr häufig etwas schief. Warum? Weil wir eben sehr komplexe Probleme mit einem im Gegensatz dazu unterkomplexen Nervensystem zu lösen bzw. zu steuern versuchen.

Besser gelingt die Lösung komplexer Probleme, wenn wir Probleme in einem Kommunikationsnetzwerk bestehend aus vielen neuronalen Netzwerken – also einem Team von Fachkompetenzen – zu lösen versuchen und wenn die einzelnen Komponenten dabei eine hohe Test- und Lernbereitschaft zeigen. Im interdisziplinären Team schaffen wir sozusagen ein „soziales Gehirn“, das einer Einzelintelligenz häufig überlegen ist.

Dies ist letztendlich der Grund, warum in einer komplexen Umwelt eine agile Organisation mit sozialem Netzwerk gegenüber gekapselter hierarchisch denkender Einzelintelligenzen in der Lösungssicherheit überwiegt.

Worin liegen aber die Unterschiede?

1.) EINFACH
Eine einfache lineare Lösung kann und wird i.d.R. gefunden. Einfache Probleme sind gekennzeichnet durch:

a. Wiederholbare Muster mit eindeutigen Ereignissen,
b. klare Ursache- und Wirkungsbezug,
c. eindeutiges Beziehungsgeflecht,
d. es gibt richtige Antworten.

Vorgehen: erkenne - beurteile - reagiere
2.) KOMPLIZIERT: 
Komplizierte Lösungen können ebenfalls gefunden werden, da das Systemverhalten linear agiert. Komplizierte Probleme sind gekennzeichnet durch:

a. Das System ist relativ gut vorhersehbar,
b. Ursache- und Wirkungsprinzip sind vorhanden, aber nicht von Jedermann erkennbar,
c. Expertenrat ist nötig,
d. es gibt häufig mehr als eine richtige Antwort.

Vorgehen: erkenne - analysiere - reagiere
3.) KOMPLEX:  
Komplexe Probleme sind schwer vorhersehbar, da sie einer Vielzahl von Variablen unterliegen, die untereinander in Verbindung stehen und teilweise große Abhängigkeiten aufweisen (Schmetterlingseffekt). Das Systemverhalten ist nicht-linear und somit kann ein vergleichsweise kleiner Input einen großen Output erzeugen. Komplexe Probleme sind gekennzeichnet durch:

a. Alles ist in Bewegung und nichts ist vorhersehbar,
b. es gibt keine richtigen Antworten,
c. es gibt etliche Unbekannte,
d. erkennbare Orientierungsmuster sind vorhanden,
e. viele konkurrierende Ideen,
f. kreative und innovative Ansätze helfen bei der Lösungsfindung.

Vorgehen: probiere - erkenne - reagiere
4.) CHAOTISCH: 
Die Unvorhersagbarkeit wird im Chaos maximiert. Es gibt weder erkennbare Muster noch Ursache-Wirkungsbeziehungen. Dem Problem kann nur reaktiv begegnet werden. Chaotische Probleme sind gekennzeichnet durch:

a. Hohe Turbulenz,
b. keine Ursache-Wirkungs-Beziehungen,
c. große Unbekannte,
d. viele Entscheidungen unter hohem Zeitdruck.

Vorgehen: handle - erkenne - reagiere

Meine Frage an euch: Haben wir bei der Vielzahl an gegenwärtigen Krisen bzw. Problemen (Klimakrise, Rezession, Inflation, (Welt)Wirtschaftskrise , …) den Hafen der Komplexität verlassen und bewegen wir uns geradewegs ins Chaos?

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