Tag 15: Zwangspause mit Karma

Ich habe von meinen spanischen Wandergenossen viel über Spanien erfahren, gelernt wo welche Speisen am Besten sind und welche Region wie tickt. So muss man z.B. in Galicien Oktopus (wird dort kurz gekocht) und Rindfleisch (die Kühe ernähren sich ausschließlich von Mais) essen um in unbekannte Genüsse vorzustoßen.

Rechts oben in Frankreich gestartet und auf dem Weg nach Compostela. Es ist noch ein gutes Stück vor mir. Aber es wird weniger

Da mein Rucksack nicht perfekt sitzt hat mir Hugo – der spanische Gebirgsjäger unserer Gruppe – heute Morgen geholfen ihn so zu optimieren, dass er mit meinem Körper zu einer Einheit verschmilzt. Der Hüftgurt muss oberhalb der Hüfte sitzen (Bauchnabelhöhe), an den Schultern wird er zum Oberkörper gezogen. Er sitzt dann ideal, wenn nichts mehr wackelt und das Gewicht auf der Hüfte lastet. Hin und wieder öffnet man den Hüftgurt und trägt das Gewicht auf den Schultern. Es ist nicht viel anders, aber es macht den entscheidenden Unterschied.

Hugo ist durchtrainiert und erzählt mir, dass ein Scheitern des Caminos nicht schlimm sei. Er selbst läuft ihn – bzw. nur ein kleines Teilstück – mit seiner Freundin zum dritten Mal und war zweimal gescheitert. Er treibt mir damit die Ehrfurcht ins Gesicht: wenn er es ein junger, kerngesunder Gebirgsjäger nicht schafft, wie soll ich es meistern? Ich – ein Bürotieger – der vor dieser Reise noch nie ausreichend auf seinen Körper geachtet hat. Ich beschließe es, den „Camino Francés“ einfach zu schaffen und hake den Gedanken für mich ab.

Ich wandere weiter durch wunderschöne Wälder und plötzlich schallt unmittelbar neben mir in voller Lautstärker der Ruf eines mächtigen Hirsches. Ich versuche den Hirsch im Wald ausfindig zu machen, aber es gelingt mir nicht – es ist eine Kuh 🐄.

Was ist es eigentlich, was das Mindset blockiert? Vier Dinge: 

Erstens: Herausforderungen sind nicht vorhersehbar (die unerwartete Herausforderung liegt vor oder nach der erwarteten und trifft einen immer unerwartet - und hart). Der Weg ist nicht planbar.

Zweitens: verteile deine Ressourcen weise, überambitionierte Ziele bringen keinen Fortschritt. Mache viele Pausen (alle 5km 10 Minuten, Rucksack runter, Schuhe aus - achte auf deinen Körper).

Drittens: reduziere deinen Ballast auf ein Minimum.

Viertens: der Weg ist das Ziel - schaue links und rechts am Wegesrand, lass dir Zeit denn eile bringt dich nicht weiter und du verpasst einen wesentlichen Sinn des Weges.

Ich wandere und mache viele Pausen und der kleine Berg am Anfang de Tages lässt sich einfach überwinden. Ich marschiere voller Elan und wandere einem Dorf entgegen dessen Namen ich auf der Routenplanung gesehen habe. Es geht lange und sehr steil bergab und am Fuße des Berges rappelt meine Uhr pausenlos. Ich sehe nach was der Grund dafür sein könnte und siehe da – ich habe mich verlaufen und darf einen großen Teil des Berges erneut erklimmen. Ich wähle die Abkürzung mitten durchs Feld und mache – auf dem Camino zurück – erst mal eine Pause.

Also Rucksack runter, Schuhe aus und Mandeln rein in den Mund. Als ich die Schuhe wieder anziehen will, bemerke ich wie Stark mein Schienbein geschwollen ist und die Berührung mit dem Finger schmerzt. Ich mache mir Sorgen was das wohl sein könne … aber es bringt nichts, ich will weiter.

Ich achte auf den Schmerz und habe ein ungutes Gefühl. Daher recherchiere ich mit dem Handy im Internet (das ist natürlich ein Fehler). Auf der Suche mit meinen Symptomen und finde eine Knochenhautentzüng. Sie resultiert aus einer starken Reizung der Knochenhaut aufgrund der sportlichen Überbelastung. Sie ist Schmerzhaft, das Bein ist geschwollen, hart, heiß und bedarf einer Wanderpause von 7-14 Tagen und muss unbedingt vollständig verheilen, bevor es weitergeht. Das darf doch nicht wahr sein! Aber wir wissen ja, das Internet ist kein Arzt und das muss sich erst bestätigen.

„Don’t“ or „do“ – das ist hier die Frage! Kommt die nächste Auszeit – mit 7 Tagen wegen einer Knochenhautentzündung (Shin Splint) – oder kann es morgen doch weitergehen?

Ich hatte beschlossen, auf meinen Körper zu achten und die rote, heiße und harte Stelle am Schienbein ist ein klares Zeichen. Daher laufe bis zum nächsten Dorf – ab da geht es die restlichen 8 km ohnehin nur über asphaltierte Wege – neben der Autobahn.

Ich suche nach einem Taxi – per Aufkleber am Laternenmast – im Internet aber die nächsten sind 13 km entfernt – das wird teuer. Bus? Fehlanzeige!

Was nun? Genau bei diesem Gedanken kommt ein weißes Auto um die Kurve. Ich handle spontan: Daumen hoch, Hand rechts raus und zack, die Dame bremst, spricht sogar englisch, fährt nach „Burgos“ und nimmt mich völlig selbstverständlich mit, bis vor ihr Haus.

Sie lässt mich dort an der Bushaltestelle raus und sagt mir, dass der nächste Bus in 5 Min. kommt. Auf dem Weg zum Hotel sehe ich die zwei Koreanerinnen aus dem Bus am Straßenrand laufen. Auf Wiedersehen!

Weitere 10 Minuten später, stehe ich um 1,20 Euro vom Busticket erleichtert, vor der Kathedrale in Burgos. Ich brauche eine Apotheke für eine erste Einschätzung und die hoffentlich erste, schnelle Hilfe bei meinem neuen Problem. Aber es ist Sonntag und die Apotheken haben geschlossen. In einer Nebenstraße sehe ich eine schöne Kirche und beschließe davon ein Foto zu machen.

Direkt neben an – eine Apotheke – geöffnet! Ich beschreibe der Apothekerin mein Problem und sie sagt, ich müsste nur Voltaren und Ibuprofen nehmen und könnte weiter wandern. Was will man mehr? Ich bin als letzter los und als erster angekommen. Ich laufe weiter zur Kathedrale und siehe da, ein Getränkeladen mit Monster-Dosen – soweit das Auge reicht.

So viel Karma, das ist schon fast unheimlich. Nun ab ins Hotel „Urban Burgos“ das Bein kühlen und schonen. Im Hotel angekommen treffe ich Alexandra und Hugo, sie beglückwünschen mich dafür, dass ich meine Tageswanderung „weise“ abgebrochen habe. Hugo hatte das gleiche Problem in seiner beruflichen Laufbahn. Er meint ich muss auf jeden Fall pausieren.

Nun – am Ende entscheidet mein Körper selbst. Ich werde morgen (leider) pausieren und dann weitersehen. Buen Camino!

#Tag 8: jeder Abschied ist ein Neuanfang

Nach einer anstrengenden Nacht im Schlafsaal neben völlig betrunkenen Spaniern, die sich ihre Mahlzeit nochmals unbedingt durch den Kopf gehen lassen und ihre Party nicht vor 6:00 Uhr beenden wollten, schlafen wir erst mal aus und liegen bis um 10:00 Uhr im Bett der Herberge.

Unsere Pilger-Familie bricht anschließend zu einem letzten gemeinsamen Frühstück auf. Wir genießen leckere Brötchen und Kaffee in der Sonne auf einem Bürgersteig und planen die Zeit nach unserer Auflösung und sind bedrückt. Die 7 gemeinsamen Tage waren einfach wundervoll und wir alle werden sie vermissen.

Die Henkersmahlzeit! Von links nach Rechts: Michael, Maria, Jessica und Sillian.

Maria – auch 🚀 „Rocket“ 🚀 genannt – die unserer Gruppe stets davongelaufen ist und die Ortschaften als Späher erkundete und schon alles wusste, bis wir endlich ankamen. Sie gewann täglich an Kraft hinzu und hat uns mit ihrer grenzenlosen Energie mitgezogen. Sie war unsere gute Seele und der ausgleichende Pol unserer Gruppe der uns gezeigt hat, dass die Grenzen nur durch den Kopf gesetzt werden. Ihre Stärke und ihr Mut ist bewundernswert und auch ihre Gabe an unseren Gesprächen teilzunehmen, wenngleich sie die Sprachen nicht spricht. Maria wird den Weg alleine weiterwandern und ohne uns nochmal an Geschwindigkeit gewinnen. Muchas gracias! Buen Camino!

Jessica – unser Energiebündel, das stets gute Laune versprühte, immer lachte und mit ihrem Charm stets pragmatische Lösungen für uns geschaffen hat und alles fleißig übersetzte. Sie kämpfte mit Gerechtigkeit für die Familie und setzte sich mit ihrem großen Herzen für uns ein. Jessica wird nun in ihren Alltag zurückkehren und reist mit dem Zug nach Barcelona. Ich werde nie vergessen wie sie uns am ersten Abend vor dem „Hungertod“ bewahrt hat, indem sie den hartnäckigen Kellner davon überzeugte, das sein Feierabend doch noch nicht gekommen war. Danke für die Aufheiterungen und kleinen Aufmerksamkeiten – die gelungene Überraschung mit meinem Lieblingsgetränk „Monster“ hat mir den Schmerz gelindert. Muchas gracias!

Sillian – unser Pilger-Mentor, pausenloser Unterhalter (der immer arbeitete und telefonierte), unser Übersetzer (6 Sprachen) und aufmerksamer Unterstützer dessen Energie grenzenlos ist und sich nicht deaktivieren lässt. Sillian ist ein hoch energetischer Mensch, der seine Berufung zum Beruf gemacht hat: er hilft selbstlos allen Menschen gleichermaßen – ganz gleich ob er sie kennt. Trotz seiner hohen Energiedichte hat er sich für uns ausgebremst, um mit uns eine Pilgerfamilie zu gründen und unser Wohl zu organisieren. Sillian wird jetzt bei einem Freund und Mitarbeiter seiner Entwickimungshilfeorganisation zwei Tage Pause machen und anschließend den Weg mit großen Wanderstrecken am Tag von bis zu 50 km in kürzester Zeit abschließen. Ich werde ihm immer dankbar dafür sein, dass er uns geduldig unterstützte, motivierte und mich am ersten Tag vor der Aufgabe aufgrund meiner Kraftlosigkeit beim steilen Anstieg der unzähligen Höhenmeter bewahrt hat. Danke auch für die vielen Pilgertipps, die ich durch ihn erlernen durfte und für deine Fürsorglichkeit mit der du uns jeden Tag versüßt hast. Zum Abschied wünscht er uns „Let that every day becomes a dream that touches you again“. Molte grazie! Buen Camino!

Nun, was war mein Beitrag? Ich glaube ich war die Inspiration der Gruppe, der Mann fürs Detail, der dafür sorgte, dass nichts übersehen und alles mit Fotos dokumentiert wurde. Derjenige der zeigte, dass es mit hoher Motivation immer weiter geht (trotz schmerzender Blasen oder Rücken), der persönliche (auch mal kritische) Denkanstöße gab, der zu allen Themen eine App hat und immer Strom und ein Always-On-Navi verfügt und mit dem man lachen konnte. Ich glaube das war meine Ergänzung für die Gruppe. Danke, liebe Pilger-Familie, dass es uns gab!

„Querida familia peregrina, os echaré de menos.

Aber so ist der Camino, man lernt wertvolle Menschen kennen, geht mit Ihnen einen Teil des Weges und erfährt dabei viel über sie und sich selbst. Man lernt viele neue Perspektiven kennen, man erweitert seinen Horizont.

Mein Plan für die zweite Tageshälfte ist, dass ich meinen Füßen heute einen Tag Auszeit und Ruhe gönne – und so soll es sein. Über Booking.com wird ein günstiges Hotelzimmer mit Wlan und Badewanne gebucht und anschließend fahre ich mit dem Taxi in ein medizinisches Zentrum.

Dort angekommen geht es los – die Übersetzung fehlt – weder die Dame am Empfang, noch die mich behandelnde Ärztin sprechen ein Wort englisch. Sie möchte meine Gesundheitskarte und blickt diese kritisch an, spricht vor sich hin und kopiert alles. Irgendwie geht es weiter. Ich erkläre mit den Händen worum es geht, kann aber die Antworten nicht verstehen.

Der Warteraum ist voll und nach nur 5 Minuten wird meine Wartenummer aufgerufen und es geht los zur Behandlung (in Deutschland hätte ich viele Stunden gewartet). Die Ärztin schaut etwas entsetzt als sie mir eine Blasen sieht und spricht irgendetwas auf Spanisch. Natürlich kann ich sie nicht verstehen, erkenne aber an ihren Gesten, dass es nicht gut ist was sie sagt. Sie spricht irgendetwas von pilgern und gibt mir zu verstehen, dass es wohl nicht weitergehen wird.

Ich zücke mein Handy und stelle ihr meine Fragen mit einem Übersetzungsprogramm (www.deepl.com) und zeige ihr die Übersetzung. Ihre Antwort verstehe ich nicht und so gebe ich ihr mein Handy und sie tippt wiederwärtig darauf los. So funktioniert der Austausch ganz gut – Problem gelöst!

Sie erklärt mir, dass ich drei Tage lang Pause machen muss, damit meine Füße heilen können. Ich darf keine Schuhe anziehen und muss dafür sorgen, dass die die Blasen nicht nass werden. Ich entscheide mich nach der Rückfahrt mit dem Taxi – mit meinen Schuhen in der Hand – dass ich das Hotelzimmer einen weiteren Tag verlängere. Ich gehe davon aus, dass die Blasen nach zwei Tagen schon ausreichend abgeheilt und auch die Schwellungen an meinen Knöcheln verschwunden sind. Das muss reichen!

Jetzt erst mal aufs Bett, mit der Familie telefonieren, schlafen und die Ruhe und Einsamkeit genießen. Endlich Privatsphäre, keine schnarchenden Zimmergenossen, ein eigenes Badezimmer und vor allem muss ich keinen Rucksack ausräumen und einräumen. Das wird toll! Nur schade, dass ich die Badewanne nicht nutzen darf – ohne Füße wird der Einstieg schwer.

Geschärfte Sinne durchs pilgern?!

Die Gedanken springen und so lande ich am Ende des Tages wieder beim Wesentlichen. Ich liege auf dem Bett und habe Hunger und denke darüber nach was ich essen könnte.

Der Verzicht auf die vielen kleinen Dinge des Alltags führt dazu, dass die Sinne geschärft werden. Alles wird viel intensiver und jeder Bissen führt zu einer Geschmacksexplosion.

So ist es nicht erstaunlich, dass ich gerade jetzt an das letzte gemeinsame Abendessen unserer Gruppe denken muss.

Wir hatten vorgestern ein 6 Gängemenü für jeweils zwei Personen (30,- € pro Person) mit je einer zugehörigen Flasche lokalen Wein. Das „Restaurante la Bellota“ war wundervoll und wir haben uns wirklich willkommen gefühlt.

Ich würde daher vorschlagen, dass jeder Pilger mindestens einmal in diesen Genuss kommen sollte.

#Tag 4: neue Horizonte

Heute bin ich den größten Teil der Strecke von 28,5km alleine gewandert und habe dabei viel über den Weg und das Leben nachgedacht. Immer wieder haben mich die Gedanken, die Schönheit des Weges und Zeit die man sich dort schenkt, zu tiefst berührt. Der „Camino Francés“ ist eine wundervolle Erfahrung.

Montaña del perdón – Der Gipfel liegt nach 500 Höhenmetern in der Mitte der heutigen Wanderung. Seine Geschichte wie auch die, des dort befindlichen Monuments möchte ich nicht vorenthalten:

Unter der Diktatur von „Franzisco Franco“ sollten alle Widerstände gegen seine Macht gebrochen werden. Er wollte die spanische Sprache bei dem von ihm beanspruchten Volk durchsetzen und dabei wurden alle wiederständischen Basken getötet. 39 von ihnen wurden leblos auf den Berg verbracht und dort gefunden – seitdem trägt er den Namen „Montaña del perdón“ (Berg der Verzeihung).

Monument aus Stahl auf dem Berg der Verzeihung.
Ein Denkmal für jene Menschen, die beim Widerstand gegen das Regime von Franco gefallen sind. Die Steine tragen die Namen der am Berg gefundenen Toten. Der große Stein in der Mitte steht für alle, die nicht identifiziert werden konnten.

Die vielen Eindrücke heute und die Zeit des Weges prägen meine Gedanken und daher könnte es nun etwas philosophisch werden, wenn ich über Perspektiven, die Pilgergruppe oder die Empfindung berichte. Vielleicht geben sie den einen oder anderen Denkanstoß?

1. Perspektiven: Der Weg spiegelt in gewisser Weise das Leben wieder. Jeder Hügel, jeder Berg bringt neue Horizonte und Perspektiven - neue Hügel, neue Täler und neue Wege, … - und diese gestalten die eigene Zukunft. Der Blick zurück zeigt die Vielfalt der vergangenen Handlungsoptionen. Die Freiheit über den nächsten Schritt bzw. die Wahl des neu entdeckten Weges, die diese neue Perspektiven mit sich bringen, ist jedem gegeben und verändern seine Zukunft. Nur demjenigen der still steht, dem bleiben sie für wohl immer verwehrt. 
Denkt man darüber nach, so sind viele Wege und deren Beschaffenheit durch tektonische Verschiebungen entstanden. Diese äußeren Faktoren beeinflussen unweigerlich den eigenen Weg. 

So hat mir mein Abstieg vom Berg über Geröll und Fels leider vier weitere Wasserblasen (zwei davon tiefsitzend unter beiden Ballen) beschert. ich hoffe, dass sie keine Zwangspause mit sich bringen.

Ein wachsender Gedenkplatz für einen verstorbenen Menschen. Viele Pilger fügen einen Stein hinzu.
2. Pilgergemeinschaft: Die durch das Pilgern verbundene Gemeinschaft wird durch den Startzeitpunkt verknüpft und ich bin froh und dankbar, Teil einer so vielseitigen und wundervollen Pilgergruppe zu sein. Man erlebt die Zeit gemeinsam, tauscht Erfahrungen aus und sammelt auch hier neue Perspektiven. Man geht auseinander und läuft sich wieder über den Weg, man hilft sich gegenseitig und ergänzt sich mit seinen Fähigkeiten und Erfahrungen und kann sich aufeinander verlassen. Eine wunderschöne Erfahrung! Danke liebe Freunde!
Ein Teil unserer Pilgergruppe vor Arena von Pamplona, dem Startplatz der Straßenstierkämpfe.
3. Empfindung: Ist das Empfinden lediglich eine Frage der Perspektive? Ich habe viel über die Schmerzen von gestern nachgedacht. Sie waren gestern den ganzen Tag präsent und haben einen großen Teil des Tages eingenommen. Nachdem wir für kurze Zeit pausiert hatten, waren sie für den Rest des Tages verschwunden. Ich dachte darüber nach, was sich geändert hat, denn alle Rahmenbedingungen blieben unverändert und entsprechend könnte es nur eine Frage der Perspektive sein?! Ich frage mich, ob der Rückenschmerz durch den Rucksack eine Frage der eigenen Perspektive ist? Wie auch immer, konnte ich gestern den Schmerz des Rucksacks über 28,5Km erfolgreich ignorieren. Wie? Ich habe ihn akzeptiert und anerkannt - wäre schön, wenn es immer so einfach bliebe. Etwas später sollte ich lernen, dass der Schmerz nur der Aufschrei des Körpers nach einer Pause ist. 

Buen camino!

#Tag 1: „Gehe deinen Weg mit dem Herzen, nicht mit dem Verstand“

Der Herbergsvater erklärte, dass der Camino Francés kein Sport sei, bei dem man etwas beweisen müsse. Sondern das man diesen nach seiner inneren Stimme – mit Gefühl (mit dem Herzen) – gehen solle. So wollte ich es auch …

Ich war also fest entschlossen mit nur 11 km langsam zu starten, glaubte dann aber an mehr – wollte weiter und den gesamten Königsweg der ersten Etappe bezwingen. Das geht natürlich nur solange gut, wie der Körper und die Kraft mitspielen – dass sollte ich heute lernen!

Am Ende waren es ca. 28 km bei 1.100 Höhenmeter mit einem 10 kg Rucksack in ca. 11 Stunden mit immerhin 3.134 verbrauchten Kalorien.

Zwei Pilgerinnen Jessica mit ihrer Mutter Maria aus Venezuela und ein erfahrener, hilfsbereiter Pilger Sillian aus Italien als Mitstreiter am Tag 1

Die Motivation und Kraft hat mich 4 km vor dem Ziel verlassen und das vor dem steilsten Stück – 700 mühsam verbliebene Höhenmeter durch die Wildnis: non-stop. Zur Intensivierung meines ersten Nullpunktes wollten dann noch mehrere umgestürzte Bäume überklettert werden und damit zog sich der Fortschritt grenzenlos. Welch ein Glück, dass ich den – nicht enden wollenden – Wettlauf gegen die Dunkelheit nicht alleine bestreiten musste.

Nach 11h – die Erlösung durch das Gipfelkreuz ♥️

Mein Gesamtfazit für heute:

Vom Gipfel nur 23 Min Abstieg bis zur wunderschönen „Albergues in Roncesvalles“ mit 3-Gängemenü im „Casa Sabina“ – unendlich glücklich, lecker und dankbar 😊
1. Der Weg ist wie das Leben: du gehst den Berg steil nach oben und wunderst dich (zunächst), wie schnell man an Höhe gewinnt. An der nächsten Biegung geht es wieder hinab ins Tal. Aber wenn du weitergehst, kommst du weiter … zum Ziel! 

2. Die Perspektive macht die Motivation, den Antrieb und das macht den Unterschied - „ich will …“ versetzt Berge, „ich muss …“ setzt sie. Die Grenze setzt am Ende der Körper selbst.

3. Lerne deine Grenzen besser behutsam kennen.

Buen Camino!

Resumé der Vorbereitung: weniger ist mehr!

Noch 4 Tage bis zur Abreise und ein Resumé ist angebracht: Ich habe meine erfolgskritische Hüfte durch Gewichtsabnahme (8kg) in den letzten 4 Wochen (gesunde Ernährung), 6x Physiotherapie und laufenden Dehnübungen gestützt, Rückenschmerzen mit Gewichtsreduktion bekämpft und aktive Gewichtsverlagerung durch Wanderstöcke und (Dehn-)Pausen erlernt …

Heute ist es gekommen – das letzte Wandertraining mit nur 16km – das Ergebnis: das Handgelenk schmerzt nahezu unerträglich. Das ernüchternde Ergebnis der Untersuchung beim Arzt: Sehnenscheidenentzündung – vermutlich durch das Wanderstocktraining – 14 Tage Verzug.

Was habe ich bislang gelernt?

1.Weniger ist mehr: weniger Luxus ist weniger Gewicht auf den Rücken und auf den Rippen. Weniger Training und weniger Verlagerung der Problemzonen führt zu weniger Nebenwirkungen.

2. Gesundheit ist ein kostbares Gut: sie will aufmerksam behütet werden, ein ganzes Leben lang und nicht erst wenige Wochen vor dem Start.

3.Pausen zur Reflektion: sie dienen dazu auf Signale zu achten, zum Feinjustieren der Maßnahmen und der Strategie.

NACHTRAG vom 03.03.: 4. Der Wille versetzt Berge – die Selbstheilung des Körpers ist phänomenal und manchmal geht es schneller als man denkt! Der 05.03. bleibt gesetzt – auch wenn es nicht einfacher wird mit leichten Blessuren des Trainings zu starten.