#Tag 36: Morgenrituale

Heute trennen sich die Wegen von Maria und mir.

Ich will Heidi – die gute Seele aus dem Internet – und ihren Mann in ihrer Herberge in „Azúra“ besuchen. Bis dahin sind es etwas über 30 Kilometer Fußmarsch und ich habe bis zum Rückflug am 19.04. ausreichend Zeit. Also nutze ich die Chance und werde am Abend James wiedersehen, denn er läuft seit gestern einen anderen Wanderzyklus und so haben wir wieder das gleiche Ziel. Ich laufe daher nur 15 gemütliche Kilometer nach „Melide“.

Maria legt einen Pausentag ein, denn heute ist Palmsonntag und sie möchte die Messe der Kirche direkt neben unserer Herberge gehen.

Wir waren ein gutes Team und so ist es nicht verwunderlich, dass beide zeitgleich wichtige Gründe haben, das Team erneut zu pausieren. Dennoch traurig, aber freudigem Blick voraus, trennen sich unsere Wege. Mach es gut liebe Maria, es war mir eine Ehre den Weg mit dir zu gehen. Buen Camino!

Zum Abschied hatten wir wenigstens noch das Glück die morgendliche Routine der Zombiepilger hautnah und vor allem gemeinsam zu erleben.

Um 5:00 Uhr Nachts klingelt der Wecker in der grausamsten Sirene, die man sich vorzustellen vermag. Die Tonfolge – in voller Lautstärke – lässt alle Haare des Körpers senkrecht erstarren und die Gänsehaut pulsiert passend im Takt. Nach fünf langen Minuten findet die Verursacherin die Funktion zum Schlummern. Die Wut lässt nach und meine Gänsehaut und ich schlafen ein.

9 Minuten später schrillt es erneut durch unseren Tiefschlaf, das ohnehin überfüllte Zimmer und so bekommen wir die einmalige Chance die verschiedenen Stiele des empörten Erwachens zu studieren. Das Spiel wiederholt sich sechs weitere Male in der nächsten Stunde. Ein Glück liege ich im Hochbett, sonst hätte ich mich schon längst aufgemacht die Untote von ihren Gegrunze zu erlösen.

Um kurz vor sechs Uhr stehen vier der insgesamt 8 Pilger auf. Eine Stirnlampe überzeugt mit dezent rotem Licht und alle anderen zücken ihr Flutlicht am Mobiltelefon und rascheln vor sich hin. Gegen 9:00 Uhr entschwinden sie in der Pilgerschlange. Buen Grunz!

Der Künstler hat wohl eine Vorliebe für große Städte. Hier ein Haus in Melide.

Heute geht es bei schönem Wetter gemütliche Wege – etwas Bergauf und Bergab – aber nichts Schlimmes. Ich laufe gemütlich vor mich hin und entdecke viele Eukalyptuswälder und ein paar Mimosen.

Die Eukalyptusbäume haben es mir angetan. Sie lassen ihre Rinde fallen wie meine Füße die verstorbene Easserblasenhaut. Darunter ist alles glatt, wunderschön und fast reinweiß.

Das Beste am heutigen Weg – ich laufe fast alleine da ich spät genug gestartet bin. Ein Traum!

Mitten im Wald überholen mich drei spanische Mädchen die ich die letzten Tage schon mehrfach gesehen habe. Wir kommen ins Gespräch und sie erzählen mir, dass in Melide der beste, spanische Oktopus zubereitet wird. Ich werde ihn wohl probieren müssen, in der angeblich besten Pulperia in Spanien.

Unendlich lecker der Oktopus in der Pulperia Ezequiel

Heute ist übrigends unser Texaner „Mark“ aus unserer Pilgerfamilie vom ersten Tag in „Santiago de Compostela“ angekommen. Dir einen herzlichen Glückwunsch. Trotz gesundheitlicher Probleme mit bravur gemeistert. Lieber Mark – danke dir auch, für die tollen Gespräche in den Buchsbaumwäldern.

Mark aus Texas, der zweite aus unserer Gruppe!

Für mich sind es bis zum Ziel nach Santiago nur noch 56 Kilometer bis zur Compostela und für Maria nur 15 Kilometer mehr. Ich denke ich werde mit Maria zeitgleich an der Kathedrale abkommen. Das wäre schön!

Das Foto dieses kleinen Wauzi‘s widme ich meiner lieben Mutter ♥️. Wir selbst hatten einst einen Rauhaardackel und wissen die Sturheit noch heute zu schätzen. Dieser hier läuft 100 Kilometer nach Santiago und ist anschließend noch tiefer gelegt.

Und davon abgesehen geht es ohnehin nicht um Geschwindigkeit, sondern darum den Weg zu genießen, viel zu lernen und am Ziel anzukommen. Buen Camino!

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