Mein Leben dreht sich derzeit um 3,4 % meiner Körperoberfläche, die ich für einen kleinen Moment unachtsam behandelt habe.
Es geht um vier Blasen – ihr kennt sie schon – eine ist inzwischen fast weg, eine ist blutunterlaufen aber schmerzfrei, eine ist kleiner und fühlt sich gut an, eine ist wieder mit Wasser prall gefüllt und damit auf dem gleichen Stand wie vor drei Tagen. Vielleicht sollte ich ihnen Namen geben, da sie ja offensichtlich verweilen wollen?
Ich habe sie zwei Tage geschont, keine Schuhe, kein Zimmer verlassen, sogar meine Badewanne überlistet, damit kein Wasser eindringen kann und dann ist fast alles beim Alten? Ich würde sagen: ich bin enttäuscht!
Ich stehe früh (8:00 Uhr) auf, um einen Apothekemarathon zu absolvieren. Ich stelle fest, dass die Situation in spanischen Apotheken fast genauso ist wie in Deutschland: die Apotheken haben nichts vorrätig und man muss mehrere anlaufen, um alle benötigten Produkte und Medikamente zu erwerben. Zumindest Ersatzprodukte, die Originalprodukte haben sie natürlich nicht!
Nach dem Einkauf schleppe ich meine Beute auf mein Zimmer und packe begierig aus. Es ist erstaunlich wie viel Müll die Pharmaindustrie produziert. Im linken Foto seht ihr die verpackte Ware und rechts ausgepackt.
Nach dem Einkauf mache ich mich ans üppige Frühstück und danach werden meine Blasen behandelt. So der Plan! Nachdem das Krankenhaus in Noroño offensichtlich nichts gebracht hat – vertraue ich auf alternative Methoden. Also steche ich die gefüllte Blase (ohne Blut) mit einer sterilen Spritze auf und entziehe 5 ml Blasenflüssigkeit (das kann sich sehen lassen) und hebe anschließend etwas Wunddesinfektionsmittel hinein (ähnlich Betaisdona). Es brennt. Wieder Desinfektionsmittel von außen drauf, eine antibiotische Salbe dazu und nun wird das Ganze unter Pflaster und Tapes vergraben.
Jetzt kommt – und das ist der Hammer – ein Nylonstrumpf drüber, um die Reibung zu minimieren. Man sagt, dass der Jakobsweg die Persönlichkeit verändert – vielleicht komme ich ja Strumpfhosen und Highheels und Minirock nach Hause?
Ich schaue mir die Tagestour an (kleinst Mögliche Strecke) und entdecke den „Ebro“ – einen Fluß. Wie ein Blitz schlägt er in meinem Kopf ein und ich überlege, ob ich eine Angelpause am „Rio Elbro“ einlege. Der „Rio Ebro“ ist „DER“ Fluss welcher für Waller über 300 cm weltbekannt und das Ziel vieler Angeltouren ist – er liegt zufällig vor meinen Füßen. Nur 500 Meter Entfernt fliest mein Angeltraum dahin!
Nein, ich möchte zurück auf den Weg. Also starte ich und soll schon bald feststellen, dass mein Rücken durch die zwei Tage Pause wieder auf Null gesetzt wurde (ok, ich hab auch viel zusätzlichen Balast eingekauft) und watschle mit meiner Schonhaltung den Weg entlang. Dieses Mal jedoch ohne Schmerzmittel, da ich die Signale meines Körpers nicht länger ignorieren möchte. Hier ein dickes Dankeschön, an meine geliebte Sany – für deren eindringliche Worte wegen des Risikos zu scheitern, insofern ich nicht mehr auf mich achte.
Auf dem Weg aus Logroño heraus gehe ich meine eigene Route und komme ganz zufällig an einem Decathlon vorbei (den suche ich schon lange). Dort kaufe ich noch ein Tape zur Blasenprävention.
Auf einer wenig herausfordernden Strecke werde ich ständig von Fußgängern überholt. Ich bin frustriert aber dennoch dankbar, das ich wenigstens 15 km weitergehen werde. Ich habe dabei viel Zeit und mache am See „Pantano de La Grajera“ eine lange Pause und beobachte drei Angler. Sie fangen Seeforellen (mit Grundblei) und ich freue mich für sie.
Als ich wieder aufbreche, komme ich an ein Seerestaurant und werde von einem Eichhörnchen begrüßt, verfolgt und letzendlich zur Einkehr überredet. Ich möchte einen Kaffee trinken. Der Kellner spricht kein Englisch (wie fast alle hier) aber einen Kaffee auf spanisch bestellen ist kein Problem für mich: „Un gran café negro con zucket“ bestelle ich stolz und bekomme prompt eine „Cola Zero“ geliefert. Läuft – zumindest das „groß“ und „schwarz“ hat er verstanden.
Ich komme sehr langsam vorwärts und erst nach 6 Stunden Marsch in der Herberge in „Navarrete“ an. Normaler Weise wäre ich in dieser Zeit ganze 24 km gewandert. Aber gut – ich bin weiter!
In der Herberge angekommen, sehe ich nach meinen „3,4 % Leid“ und stelle fest, dass inzwischen alle Blasen gut unter Saft stehen. Ich zocke also eine neue sterile Spritze, desinfiziere die Wunden und sauge sie leer. Zur Sicherheit frage ich nochmal um Rat und bekomme den Tipp lieber direkt ins Gesundheitszentrum zu gehen. Ich habe genau 15 Minuten Zeit, um das Ziel zu erreichen bevor sie schließen. Es bleibt also spannend!
Also haste ich los und komme gerade noch pünktlich. Statt mir die Blase noch mal zu leeren kleben Sie mir neue Pflaster darüber und geben mir diverse Pufferstützen zum Wandern dazu.
Ich frage sie warum sie die Blasen nicht leeren und sie erklären mir, dass die Blutblase absolut steril gehalten werden muss. Hmmm – da war doch was – ich habe mit der Sprize darin rumgerührt und versucht sie leer zubsaugen?! Ich erzähle von meiner Tat und sie sind entsetzt: ich soll übermorgen zur Kontrolle ob es sich entzündet – na super!
Aber gut, meine Schuld – als „Belohnung“ gibt es am Rückweg erst mal ein (wirklich) großes Bier und einen Keks zum Abendessen.