#Tag 11: er ist dann mal weg

Ich träume bis zum Morgengrauen von meinen Füßen – das hat man nicht oft, es sei denn, man ist Fußfetischist – und bin frustriert, als meine sechs nur flüchtig bekannten Zimmergenoss:innen packen und bereits vor 8:00 Uhr weiterziehen.

Feinstrumpfhosen unter den Wandersocken reduzieren die Reibung und damit Blasenbildung. Leider habe ich sie zu spät eingesetzt.

Vielleicht liegt die nächtliche Sehnsucht an der Sorge vor einer Entzündung oder aber den Schmerzen, vielleicht aber auch an meinen schicken Feinstrumpfhosen unter den Wandersocken? Immerhin hätte ich es mir nie träumen lassen, dass ich mal eigene Laufmaschen habe. Warum ich von den Füßen träume? Ich weiß es nicht und es ist mir im Grunde auch egal. Ich möchte gerne unbeschwert weiterwandern, aber das ist vermutlich nicht das Ziel des Weges – fürchte ich.

Eine Pilgerfreundin (aus dem www) schrieb mir kürzlich „Ich hab die Erfahrung gemacht, dass der Camino unser altes Ich „zertrümmert“ und aus den Trümmern unseres alten Ichs uns neu zusammen setzt!“ … und ja, ich glaube, dass so etwas durch den Schmerz, die vielen schönen Dinge und die lange Zeit mit sich selbst passiert. Ich bin sehr gespannt was sich in meinem Leben verändert und freue mich neugierig darauf.

Noch im Bett ruhend, aus Angst vor dem Aufstehen und dem möglichen Schmerz (=Wanderstop), ist die Zeit gekommen einen ersten Blick in mein Schatzbuch zu werfen, welches ich vor meiner Abreise geschenkt bekommen habe. Die Zeilen, die ich von meiner Freundin Sany lese sind wunderschön, sie tun gut, wärmen das Herz und lassen mich positiv gestimmt aufstehen. Kein Schmerz – und vor allem – danke für deine Liebe ❤️

Mein ganz persönlicher Begleiter auf dem Jakobsweg. Mein Schatzbuch vollgepackt mit Fotos, Buchstabenfolgen aus Liebe 🏡

Wer meinen Blog halbwegs regelmäßig verfolgt vermisst die Fotos vom grandiosen Frühstück und üppigem Abendessen. Der Weg hat mich umgerüstet, es gibt Nüsse, Brötchen aus dem Supermarkt – als Pausensnack unterwegs auf einem Stein und zum Abendessen was sparsames, vielleicht eingünstiges Pilgermenü. Geht auch!

Frühstück auf einem Stein am Wegesrand. Neben meinem Magen freut sich mein Rücken und die Füße.

Ich laufe erstmals dank der Fersenschaumstoff-Puffer (siehe Fußfoto) aus der Ambulanz gestern Abend schmerzbefreit und spüre nur noch das Mehrgewicht meines Rucksacks in meinen Hüften. So geht also das Spiel? Kommt jetzt jede Körperstelle einzeln dran? Vermutlich besser so, als alles auf einen Streich.

Nicht sexy, aber das Erste was hilft. Der Schaumstoff federt jeden Druck von der Blase erfolgreich ab und sieht in etwa aus, wie ein Serano-Schinken. Grandios!

Egal, zwischen den endlosen Weinreben – am Ende habe ich vermutlich jede Rebsorte aus Spanien durchlaufen – bemerke ich einen Stein im linken Schuh und halte neben einem Graben. Ich denke noch – da darf der Wanderschuh nicht hineinfallen und plums: er ist dann mal weg!

Er ist dann mal weg – mein Schuh …

Zum Glück habe ich meine Wanderstöcke am Rucksack. Ich ziehe sie auf volle Länge aus und denke dabei an ein YouTube-Video über Wanderstöcke nach, das ich in meiner Vorbereitungsphase angesehen hatte, wo ein erfahrener Wanderer eine volle Stunde lang über Wanderstöcke sinniert. Er hat dabei wirklich alles an Vor- und Nachteilen erwähnt (sogar, dass man mit dem Wanderstock seinen Sitzplatz von Schafkötteln befreien kann), aber glatt vergessen, dass man mit ihnen hervorragend Schuhe bergen kann. Erleichtert darüber, dass es so einfach ging, ziehe ich den Schuh wieder an und weiter gehts.

Bereits um 14:00 Uhr komme ich nach 18 km Wanderung in der Herberge in „Nájera“ an und freue mich, noch so viel Zeit zu haben. Die Strecke gestern und heute wären unter normalen Umständen eine Tagesstrecke gewesen. Ich liege durch die Blasen ca. drei Tage (ca 60km) hinter der verbliebenen Pilgerfamilie zurück. So ist es eben und daher widme ich mich erst mal meiner häuslichen Pflichten.

Als ich meine Wäsche von Hand wasche und über meine Leine quer durchs Hotellzimmer zum trocknen hänge, sehe ich im Spiegel Schatten auf meinen Beinen. Krass – das ist meine Oberschenkelmuskulatur, die ich seit der Kindheit nicht mehr zu Gesicht bekommen habe – sie lebt noch (oder wieder?).

Und noch etwas hat sich verändert. Seit heute kann ich wieder meine Füße sehen „sie sind wieder da!“. Warum? Na klar, da sich mein Bauch sukzessive zurück entwickelt.

Neben dem Schmerz zeigen sich also viele kleine positive Veränderungen. Gerne mehr von den positiven Stimulanzien!

♥️ Danke Camino Francés ♥️ danke an alle, die mir diese Erfahrungen ermöglichen ♥️

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