Machste Leuchtturm, bringt halt nix – die Ursache für fehlende Innovation und Erfolg deutscher Unternehmen

➶ Herausforderung ist Stillstand

Dem Wunsch nach Innovation, exponentiellen Wachstum durch digitale Geschäftsmodelle, gestiegener Effizienz und steigenden Markanteilen sowie hoch motivierter Mitarbeiter steht oftmals eine ernüchternde Realität gegenüber. Relevante Potentiale und grandiose Innovationen bleiben aus, neue Vertriebskanäle zünden nicht und einst motivierte Mitarbeiter dümpeln frustriert vor sich hin und/oder verlassen das Unternehmen. 

➶ Tradition verhindert Fortschritt

Der zugehörige Fokus liegt auf traditionellen Arbeitsmethoden auf interner Perspektive des Unternehmens. Während fleißig im System die Prozesse und hierarchischen Strukturen optimiert und vereinzelt neue Leuchtturmprojekte geboren werden, haben sich die Rahmenbedingungen, die Regularien und/oder die Anforderungen des Marktes verändert. „Junge wilde Unternehmen“ ziehen an bewährten Marktführern vorbei und verändern in kürzester Zeit ganze Branchen. 

➶ Ursache mit vier Buchstaben

Wir befinden uns in einer digitalisierten, komplexen und disruptiven Welt – das sogenannte VUKA. Unternehmen sind einer exponentiell wachsenden Geschwindigkeit der Veränderung und dadurch zunehmender Komplexität der Anforderungen, Mehrdeutigkeit und damit einhergehender Unsicherheit ausgesetzt. 

➶ Lösung durch Agilität

Die Lösung ist naheliegend, bedarf jedoch einer grundlegenden, sukzessiven Veränderung des Mindset des Unternehmen – der agilen Transformation. 

Mit einem agilen Mindset, begegnen wir der Veränderungsgeschwindigkeit mit einer klaren, langfristig relevanten Vision. Der Unsicherheit stellt man sich mit fachspezifischen Verständnis und maximaler, allgegenwärtiger Transparenz. Der Komplexität begegnet man mit Klarheit und der Mehrdeutigkeit mit iterativer Arbeitsweise über kundenrelevantes Feedback zur kundenzentrierten Produktentwickung. 

Zusammengefasst: mit ganzheitlicher, gelebter Agilität! 

SOLSUC (Solutions for Success) unterstützt Unternehmen im Wandel zu einer nachhaltig erfolgreichen Zukunft durch agile Transformation. Denn der Wert erfolgreicher Unternehmen definiert sich über deren Mitarbeiter, deren entfachte intrinsische Motivation und die Summe kombinierter Fachkompetenzen in interdisziplinären, eigenverantwortlichen Teams.

➶ Wie geht das?

Agilität verschiebt die einst interne Fokussierung auf die externe Perspektive und relevanten, kundenbezogenen Mehrwert. Der Unternehmensfortschritt wird dabei über extern bewertete KPI‘s gesteuert und damit wird kundenzentrierte Innovation sichergestellt. Zeitgleich wird die Effizienz maßgeblich gesteigert, da Produkte zum frühest möglichen Zeitpunkt am Markt erprobt und mit der Erkenntnis itterativ Weiterentwickelt werden. 

Zusammengefasst: Agilität schafft kundenzentrierte Innovation, Effizienz, intrinsische Motivation der Mitarbeiter und Erfolg des Unternehmens. 

Die letzten Meter

Die letzten Wochen waren intensiv und voller Vorfreude. Mein Business Case für die SOLSUC UG musste durch die Umfirmierung zur Kapitalgesellschaft angepasst und somit alle Gründungsdokumente überarbeitet und die zuständigen Ämter informiert werden.

Parallel wurde fleißig an der Strategie für die Markteinführung gezimmert und das LinkedIn-Profil überarbeitet und eine Unternehmensseite geschaffen.

Ich gehe davon aus, dass ein Teil meines Netzwerkes ein hohes – jedoch zeitlich beschränktes – temporäres Interesse an meiner Transformation haben dürfte. Ihnen möchte ich mit dem Launch der SOLSUC UG ein gelungenes, einheitliches und professionelles Bild geben.

Zeitgleich musste ein Notartermin zur Gründung der SOLSUC UG her, um mit den Unterlagen der notariellen Beurkundung ein Geschäftskonto zu eröffnen. Ziel war das Stammkapital zu überweisen, damit der Notar die Gründung im Handelsregister eintragen lassen kann, welche wiederum den finalen Unternehmensstart bekundet.

SOLSUC UG – agile Basis

Nach umfangreichen Gesprächen, Recherchen, hypothetischen Steuerberechnungen und dem Abwiegen der Vor- und Nachteile steht letztendlich die Geschäftsform für die SOLSUC UG. Ich starte als Unternehmergesellschaft (UG) und behalte es mir vor, später in eine UG mit Holdingstruktur zu transformieren.

Die Entscheidung vom ursprünglich angestrebten Einzelunternehmen zur UG ist knapp vor Unternehmensgründung gefallen und hat so manche Organisation herausgefordert. Aber so ist es in unserer agilen Welt – wenn es bessere Wege gibt, nimmt man diese.

Die notarielle Beurkundung sowie die Anmeldung des Gewerbes fühlt sich für mich an, wie der Kauf meines Zugtickets zum Start meines persönlichen Jackobswegs Anfang diesen Jahres. Der vieles verändernde Weg ist beschritten und die Motivation etwas Großes zu bewirken ist Grenzenlos.

Ich brenne mit meinen Erfahrungen aus der Transformation von Unternehmen in der Vergangenheit darauf, mit SOLSUC UG etwas wirklich wertstiftendes zu Schaffen und andere Unternehmen mit meinen langjährigen Erfahrungen im eCommerce und der agilen Transformation in eine erfolgreiche Zukunft zu beraten.

Das wird großartig!

SOLSUC als Masterclass auf der „K5 – Future Retail Stage“

Heute hatte ich die Ehre, als einer von drei Speakern zusammen mit der KPS auf einer Masterclass-Bühne auf DER großen „K5 – Future Retail Stage“ zu stehen. Die K5 ist eine hochkarätige Digital- und eCommerce-Messe in Deutschland auf der ausgewählte und häufig führende eCommerce-Experten inspirierende Vorträge zum Thema halten.

Andreas Frary, Michael Urban, Steve Leichsenring auf der K5 zum Thema Marktplatz – geführt durch eine gekonnte Moderation von Stefan Metzger.

Besonders freue ich mich über meine innere Ruhe beim Vortrag. Dank dem Jakobsweg weiß ich, dass ich meinem Leben vertrauen kann und alles so kommt, wie es kommen muss. Vielleicht ist der Tipp eines guten Freundes doch nicht so weit von der Realität entfernt, der kürzlich zu mir meinte, ich solle bezahlte „Impulsvorträge“ als „Thought-Leader“ halten … hmmm.

Wo wir gerade beim Thema sind – ich hatte heute das erste Mal nach dem Jakobsweg einen Anzug an und natürlich rutscht er ohne Gürtel ungebremst zu Boden. Dumm nur, wenn man dafür vorgesorgt jedoch den falschen Gürtel eingepackt hat und die Löcher ausschließlich zur alten Taille passen. Wie behilft man sich 15 Minuten vor dem Vortrag? Ganz klar, die Not macht erfinderisch und die Hose wird mit einem Halsband von der Messe dürftig zusammengezimmert. Halbwegs stabil, aber dank ungleichem Faltenwurf sehr unschön, geht es dann zum Empfang um zusätzliche Löcher mit einer Schere hinein zu zimmern. Am Ende kam dann doch der Anzug in den Schrank – in Jeans, SOLSUC-T-Shirt und meinen Schuhen vom Jakobsweg lebt es sich doch authentischer und so konnte ich unseren Beitrag entspannt begleiten.

Die K5 selbst war ein voller Erfolg! Sehr viele inspirierende, wertvolle Beiträge und Gespräche mit interessanten Persönlichkeiten die das digitale Business beflügeln. Bemerkenswert waren die Insights zum Thema Liveshopping/ SocialCommerce von Fabian Quwehand (HSE) und die Gespräche/Masterclass mit Tim Buchholz (ehem. OTTO) zur Transformation von Unternehmen.

Mit Tim hatte ich vor Corona meinen ersten Auftritt auf der K5 – lange her – und jetzt gründet er, zeitgleich zu mir ein Unternehmen zur Transformation. Auch er sieht seine Zukunft im Mehrwert, wie wir die Welt zu einem besseren Ort umgestalten können, um den Unternehmen durch eine zukunftsgerichtete Organisation neue Perspektiven und Chancen zu geben. Das haben mir im übrigen auch sehr viele zahlreiche Gespräche auf der Messe in den Networking-Areas bestätigt, sie alle waren von meinem Vorhaben wirklich begeistert.

SOLSUC wird großartig!

Spryker Exite 2022

Das erste Mal nach meinem Jakobsweg sollte es in einem Berliner Club auf die Bühne gehen. Ich wurde von Spryker und KPS zu einem Marktplatz-Pre-Event in Berlin eingeladen. Es geht darum als Speaker meine Erfahrungen beim Aufbau eines Marktplatzes mit Experten der Branche zu teilen, damit Unternehmen im Publikum davon profitieren und daraus lernen.

Aber es sollte anders kommen. Der Talk zum Thema Marktplatz war relativ kurz, fast ein Drittel der Sprecher war dank der OMR an Corona erkrankt und somit blieb mir ausreichend Zeit für sehr interessante Gespräche mit sehr interessanten Menschen.

Das Ergebnis – spannende, potentielle Kooperationen, mögliches Projektgeschäft und die bestätigte Erkenntnis, dass das Thema „Agile Transformation“ für alle Onlineshops relevant ist. Auch in dem Vorträgen zeigt sich die Notwendigkeit einer flexiblen, testgetriebenen und offenen Unternehmenskultur. Schließlich wird über eine agile Organisation echter Mehrwert durch die endverbraucherzentrierte Arbeitsweise generiert. Agilität schafft echte Innovation – wenn sie wirklich gelebt wird.

Was ich auch verstanden habe ist, dass erste Schritt wohl überlegt sein will – man wähle die Platzierung seiner Ressource weise – Kooperation/ Projektgeschäft gegenüber der Agilen Transformation?

Spryker schreibt über mich in der Ankündigung: „Michael Urban, ein Visionär für digitale Geschäftslösungen, wird durch seine echte Führungsstärke und einzigartige Persönlichkeit nachhaltige Leidenschaft weit über die Grenzen unserer Veranstaltung hinaus tragen.“

Nett oder? Ich bin ein Visionär, habe mit meiner Leidenschaft stets meine Teams begeistert und meine eckige, direkte und stets lösungsorientierte Persönlichkeit ist kein Standard. Damit kann ich leben!

Die Spryker-Exite selbst war mit vielen interessanten Vorträgen gespickt. Ein Unternehmen das ich wegen Infrastruktur beraten hatte, müsste dringend die Agile Transformation einleiten um die Kanalkonflikte zu lösen. Wir dürfen gespannt sein!

Besonders Interessant war das Interview mit Alexander Graf und Boris Lokschin mit dem ehemaligen CEO von „The Walt Disney Company“ namens „Bob Iger“. Eine sehr inspirierende, visionäre Persönlichkeit, die die Verantwortung gelebt und einer großen Vision gefolgt ist. Er hat durch seine unerschrockene Art einst Steve Jobs davon überzeugt „Pixar“ zu verkaufen und hat damit das Unternehmen in die Digitalisierung getrieben. Heute hat Walt Disney ein digitales Vertriebsmodell und profitiert von den zugekauften „Tinkerbell’s“, „Supermann-„, „Marvell-Charakteren“ und den „Findet Nemo‘s“ dieser Welt und erwirtschaftete 2021 stolze 67 Milliarden US-Dollar Umsatz.

Bob Iger sagte „Wer an seinem Status Quo in einer sich verändernden Welt festhält, der fällt unweigerlich zurück. Der verliert so lange an Relevanz, bis er von anderen Businessmodellen disputiert wird.“

Bob Iger hat auch verstanden, dass eine der wichtigsten Fähigkeiten von Führungskräften die „Empathie“ ist. Empathie ist durch die Arbeit im Homeoffice noch relevanter geworden, da durch sie der Connect zwischen den Teams gehalten wird. Er betont auch, wie wichtig es ist den Menschen konstruktives Feedback zu geben, damit sie selbst wachsen können.

#Tag 45: Ultreja – es ist dein Weg

Das Wunder Camino?

Um den Camino gibt es viele Geschichten und Wunder. Die Realität ist, dass er einem jene Menschen, Ereignisse, Erfahrungen und Perspektiven bringt, die man in seiner Entwicklung im jeweiligen Lebensabschnitt benötigt. 

Der Weg - oder man selbst auf dem Weg - zieht die Veränderung an, die man sich wünscht. Man darf nicht aktiv danach suchen, mann muss beobachten und geschehen lassen. Man muss das Leben frei lassen und man muss es leben. Es ist ganz leicht!

Der Camino ist die Essenz der Agilität denn lediglich das physische Ziel und die Richtung sind grob bekannt. Die Menschen auf dem Weg, der Weg selbst, die Hürden und Hindernisse, die persönlichen Grenzen, die Nahrungsversorgung, die Pausen und die Orte zur Nächtigung sind maximal flexibel. Keine Vorschriften, keine Sicherheit und keine Gewissheit - der Camino ist das Treiben im Leben in Reinform - im hier und jetzt. Das Ergebnis, die persönliche Erkenntnis, die persönliche Innovation und Veränderung kommt abseits der Norm und des Standards - immer dann, wenn man neue Wege geht, offen und aufmerksam sein Umfeld betrachtet und bereit für Veränderung ist.

Ist der Camino magisch? Nun, jeder der mich kennt, weiß mich als „ungläubigen Thomas“ zu schätzen. Aber an diesem Punkt muss ich sagen „ja - er ist magisch“ und das auf das wesentlich reduzierte Leben - das Leben - das ist seine Magie.

Der Camino wie auch die durch ihn bereitete Transformation sind im übrigen nicht Ortsgebunden, sie beginnen mit der Entscheidung den Weg zu gehen. Die Vorbereitung, das Einwandern und die Gedanken bringen erste Veränderung indem man seine innere Komfortzone verlässt, unbekannte Wege geht und die Veränderung ermöglicht. Das Ende des Weges ist ebensowenig das Ende, es ist ein neuer Anfang!

Für mich war mein Camino etwas ganz besonderes. Eine Mixtur zwischen Sport, Grenzerfahrung, Verzweiflung, Schmerz, Natürlichkeit, tollen Menschen mit kulturellen Unterschieden und Perspektiven, leckerem Essen und täglich neuen Erfahrungen. Der „Camino Francés“ ist mein großes Abenteuer und am Ende habe ich mich selbst und das unendliche Glück in mir gefunden. Danke Camino Francés, danke Welt!

Was hat sich für mich verändert?

Am 19 Tag schrieb ich folgende Hyopthese: „… das entspricht meiner Interpretation des Caminos, wo der Schmerz und das Leid notwendiges Übel sind, um die eigene Transformation voranzutreiben. Aus der reinen Komfortzone heraus ist nicht ausreichend Weiterentwickungsnotwendigkeit gegeben. Das ist aber nur meine aktuelle Einschätzung und ich bin gespannt, ob sich dieses Weltbild am Ende des Caminos ändert.“

Ich glaube nach dem „Camino Francés“ weiterhin, dass der Camino - oder die lange Zeit mit sich selbst - einem jene Lehreinheiten bringt, die die eigene Persönlichkeit braucht um sich selbst zu finden, sich selbst treu zu sein und mit seinem „Ich“ in Harmonie zu verschmelzen.

Das Ziel und auch die Lektionen werden bei jedem Menschen anders gelagert sein. Die Erfahrung des Caminos ist also nicht zwingend mit Schmerz und Leid gekoppelt. Es ist eben mein Weg!
Ich bin nach meinem Jakobsweg kein anderer oder neuer Mensch, aber sicherlich reifer als zuvor. Ich habe gelernt die kleinen Dinge des Lebens zu schätzen und erkannt wie wenig es benötigt, um Glücklich zu sein. 

Eigentum und Besitz sind nicht notwendig, aber die bedingungslose Wertschätzung seiner selbst. Um glücklich zu sein, braucht man nur Zeit für sich selbst, muss seinen Körper respektieren und dem Leben freien und vor allem ungezwungenen Lauf lassen.
Und man muss neue Erfahrungen suchen, sein Umfeld analysieren und sich selbst hinterfragen - man muss sein Leben leben. Und wie immer im Leben wählt man zunächst nur eine Richtung und geht dann den ersten Schritt, der Rest fügt sich, wenn man es nicht erwartet.

Der Organismus des menschlichen Körpers ist zu meinem wichtigsten, großartigsten Team geworden. Meine Füße, sie waren z.B. ihr ganzes Leben ungeachtet und sind in den vergangenen sechs Wochen zu meinem Zentrum der Welt geworden. Sie verurteilten mein bisheriges Leben, brachten meinen Weg fast zum Scheitern, lehrten mich der Langsamkeit und ermöglichten am Ende meinen Erfolg. Mein Körper ist mein Organismus und hat maximale Wertschätzung und Aufmerksamkeit verdient. Ich habe durch das Caminotraining und den über 800 Kilometern Strecke auf dem „Camino Francés“ fast 16 Prozent meines Körpergewichts und Umfang verloren und fühle mich unschlagbar fitt, gesund und mein Leben ist unkompliziert geworden.

Was hat sich noch verändert? Ich wußte lange Zeit nicht so Recht warum ich diesen Blog schreibe, aber jetzt ist es mir klar geworden. In erster Linie für mich selbst, damit ich mich erinnern kann und immer wieder bei Bedarf diese kleinen Wahrheiten hervorholen kann. Ich bin dankbarer geworden und gebe meiner Familie und der Welt damit (hoffentlich) ein kleines Stück zurück. Ich mochte andere Teilhaben lassen und vielleicht durch den einen oder anderen Gedankenfunken angeregt wurden. Schön, dass ihr mich begleitet habt. Danke Camino - danke Welt!

Was würde ich anders machen?

Nun, es ist wie im normalen Leben. Man sollte langsam beginnen, die ersten Schritte mit bedacht wählen und auf die Signale seines Körpers achten und den Dingen freien Lauf lassen. 

Hohe Geschwindigkeit am Anfang wird mit physischen Schulden der Zukunft bezahlt. Wer langsam startet und den Körper langsam an die neue Lebensweise gewöhnt, der wird am Ende schneller sein und andere überholen.

Es gibt eine eiserne Regel auf dem Camino und die ist falsch - man sagt „die letzten 4 Kilometer sind immer schmerzhaft und ziehen sich stets wie Kaugummi - es gibt keine Gewöhnung“. Die Wahrheit ist, dass man bei diesem Gefühl langsam machen sollte und auf jeden Fall pausieren. Damit kann man auch die letzten Kilometer des Tages geniesen. Meine Regel lautet daher: alle 5 bis spätestens 8 Kilometer oder wenn etwas schmerzt, ausreichend lang pausieren und die Natur genießen.

Meine Ausrüstung werde ich künftig bei Decathlon kaufen, die haben sehr gute Qualität, alles sehr durchdacht und sehr günstig. 90% der Ausstattung der Pilger ist von Decathlon. Die Wanderschuhe würde ich gleich mit 2 Größen mehr kaufen und ein zweites, leichtes Schuhpaar das an keinen potentiellen Blasenstellen (z.B. Sandalen von Earthrunners) reibt.

Sobald Probleme mit den Füßen oder Beinen auftreten sollte man den Gepäckservice nutzen. Das entlastet die Füße maßgeblich und verhindert Zwangspausen. Außerdem würde ich alles entsorgen, was nicht von Nöten ist - kein Imprägnierspray, ausgediente Cremes, alles zurücklassen - das spart Gewicht. Und nicht immer so viele Sorgen machen, es geht immer weiter - wenn man nur will.

Zur Wahrung der Flexibilität sollte man keine Herbergen vorab buchen, auch keinen Rückflug und ausreichend Puffer vorsehen, denn nichts ist so Schade wie ein erzwungener Abbruch, wenn man noch nicht am Ende ist.

Bei der Auswahl der Herbergen werde ich nächstes Mal verstärkt mit dem Herzen suchen. Die Herbergen die mit dem Herzen für ihre Pilgerschützlinge kochen, „Heidi‘s Place“ oder die „Albergue La Espiral“, sie geben so viel mehr zurück als die vermeintliche Billigware die es für Schnäppchenjägerpilger in den Restaurants unter „Pilgrim-Menue“ gibt.

Herbergen in größeren Etappenzielen werden gut besucht, dort ist viel los. Interessante Menschen trifft man häufig vor- oder nach einem Etappenziel denn dort ist es ruhiger, schöner, besinnlicher und meist günstiger.

Was ist mein Tipp für jene, die den Weg gehen werden?

Ultreja - es ist dein Weg! Geht den ganzen Weg - 800 Kilometer- wenn ihr euch hinterfragen wollt, wenn ihr eure Veränderung sucht und geht den Weg alleine. 

Wenn ihr mit Partnern, Freunden oder einer frisch gegründeten Pilgerfamilie geht, verschließt oder reduziert ihr eure Offenheit gegenüber zufälliger Gespräche und Erfahrungen.

Seit gerne alleine, gehr nur in eurer Geschwindigkeit (lasst euch nicht treiben!) und seit, offen für Kontakt und behaltet stets eure innersten Werte.

Hört auf euren Körper und gebt ihm Rast wenn er danach verlangt. Sofern diese Fähigkeit noch erlernt werden muss, könnt ihr euch mit folgenden Tipps zur Behandlung von Wasserblasen oder Knochenhautentzündung behelfen.

Gönnt euch eure Auszeit um die wertvollen Gespräche zu verarbeiten und unterstützt die Anderen. Denn der Weg gibt euch so unendlich viel zurück.

Was hat dich am meisten beeindruckt?

Eine ca. 30 Jährige Dame, sie hatte aufgrund einer Krankheit ein Bein verloren und ist mit dem verbliebenen und zwei Krücken über Stock und Stein gesprungen. Sie kam nur einen Tag nach mir in Santiago de Compostela an. 

Auch beeindruckt hat mich der „Butterflyeffekt“ man trifft viele Menschen, zufällig, willkürlich und oftmals nur für Minuten und dieser Zufall beeinflussen sie den weiteren Weg und das eigene Leben. Und man sieht sie alle wieder!

Mein Körper und meine Füße. Trotz Wasserblasen, Knochenhautentzündung - es ging immer weiter und ich bin stolz darauf, dass wir (Körper und Geist) alles gemeistert haben.

Die Zuverlässigkeit des Weges - die Freundin eines wichtigen Wanderfreundes ist sechs Tage bevor wir uns getrennt haben an Corona erkrankt. Wir hatten zur ansteckendsten Phase Kontakt und haben es zu spät erfahren um Präventionsmaßnahmen zu ergreifen. Da wir mehrere Tage gemeinsam auf dem Weg waren und viele Nächte in kleinen, gemeinsamen Zimmern verbracht haben, war mein Corona-Risiko kurz vor Santiago nicht unwesentlich. Als auch mein Freund an Corona erkrankte, haben wir weiterhin die Zeit gemeinsam verbracht - denn er hätte mich schon längst angesteckt. Dieser Kelch ist an mir vorüber gegangen - so haben es mir Selbsttests bestätigt - alles richtig gemacht - dem Leben vertrauen schenken!

Was braucht man für eine Pilgerreise?

So wenig wie Möglich - möglichst nur 7kg Gepäck (mit Wasser)! 1x Ultraleichtrucksack mit Bauchgurt (400 bis max. 1kg), 3 Paar Merino-Socken, 2x Nylonsocken, 3x Funktionsunterhosen, 3x Funktions-T-Shirt, 2x Funktionshose mit Zipoff (gleiches Modell), 1x Regenponcho (der den Rucksack überdeckt), 1x Regenhose, 1x wasserabweisende Wanderjacke mit herausnehmbarem Fleecepulli, 1x Mütze, 1x Funktionshandtuch, 1x Wanderschuhe (1,5 Nummern größer), 1x Rei aus der Tube, 1x Nachfüllpack Duschgelkonzentrat (dm), 1x Sonnencreme klein, 1x Voltaren Forte klein, 12 Tabletten Ibuprofen 400 mg, 1, Reisezahnbürste, Zahnpastadrops, 1x Deoroller, 1x Omnifix, 1x Betadine, 1x Tube Hirschtalg, 1x Tape, 6x Taschentücher, 1x Ohropax, 1x Ersatzakku (Ladekapazität 1-2 Ladungen aller Geräte), kurze Ladekabel, 1x Schnelladestecker mit drei Ausgängen. Stabile Plastikbeutel um alle Utensilien im Rucksack wasserdicht zu verstauen. 2x PET-Wasserflaschen vom Discounter (1 Liter), 

Budget: Hin- und Rückreise je 150,- Euro, mindestens 30,- Euro pro Tag (Übernachtung, Essen, Trinken). 4-6 Wochen Auszeit!

Rückflug mit Wanderstöcken

Zum Rückflug mit seinen Wanderstöcken kann man seinen Rucksack einfach mit dem Regenüberzug überziehen. Die Stöcke vollständig auseinandernehmen und im Innenraum des Rucksacks verstauen, alle Schnallen zusammenziehen und fest verschnüren. Ich habe meinen Rucksack mit 13,5 Kilogramm zusätzlich mit Klebeband fixiert und dann als Gepäck aufgegeben. So ist es kein Problem - es bedarf also keiner gesonderten Reisetasche. 

Wichtig, die Antworten gelten NUR für den „Camino Francés“ denn nur er hat eine so gut ausgebaute Infrastruktur (Herbergen in fast jedem Ort, Apotheken und Restaurants). Es kann dort fast alles bei Bedarf nachgekauft werden – daher bitte keine Bevorratung denn das ist überflüssiges Gewicht und das wird teuer bezahlt.

Solltet ihr Fragen, Feedback oder Anregungen haben, so könnt ihr euch sehr gerne melden: 004915209956400 auch gerne per WhatsApp.

Was ist meine berufliche Perspektive nach dem Weg?

Der aufmerksame Leser weiß es bestimmt. Ich habe mich nicht entschieden - wozu auch - sondern werde den Dingen ihren Lauf lassen. Ganz gleich ob eCommerce, agile Transformation, Tattoos oder Bücher schreiben. Ich werde mich von meinem Weg inspirieren lassen. Mein Weg wird mir das geben was ich brauche - ich kann nun darauf vertrauen und ich werde keine Entscheidung mit dem Kopf sondern lediglich mit dem Bauch treffen. Jeden Tag erneut!

Und dir liebe Unterstützerin mittelständischer Unternehmen vom Jakobsweg, ich hoffe ihr seid gut angekommen und falls du das hier liest, dann melde dich gerne – vielleicht können wir uns gegenseitig im Support des Mittelstandes beflügeln.

Euch allen ein dickes Dankeschön 🤍

Ich möchte mich bei allen Bedanken, die diesen Blog verfolgt haben. Es freut und ehrt mich sehr, dass ich den einen oder anderen damit inspirieren konnte und ihr Spaß am Lesen hattet. So wird es – durch den Blog beflügelt, zwei Gebirgstürmer rund um Aachen geben (Buen Camino) und ich hoffe, dass die geteilten Ereignisse auch beim ein oder anderen ein Anstoß, für die ein oder andere emotionale Regung oder die Hinterfragung der eigenen Perspektive war 🤍.

Danke liebe Pilgerfamilie und Pilgerfreunde, ihr alle wart und seit etwas besonderes und ich werde euch nie vergessen. Ihr habt mich bei diesem Teil meiner Transformation begleitet und mich stets unterstützt, indem ihr mir neue Wege gezeigt habt. Ihr habt mir durch die vielen Gespräche neue Perspektiven aufgezeigt und klargemacht, was das Wesentliche im Leben ist. Danke, dass man sich auf jeden von euch verlassen konnte 🤍.

Ganz besonders möchte ich mich bei meiner geliebten Sany bedanken. Sie hat zu Hause die Stellung gehalten, sich um die Kinder gekümmert und zusammen mit Werner Wasserschäden bekämpft. Sany hat mich darin bestärkt, die Ferne zu suchen ohne zu wissen wie sehr sich mein Leben dreht – das verdient meinen größten Respekt. Danke dir liebe Sany – ich liebe dich und danke, dass es uns gibt 🤍.

Danke auch unserer lieben Noemi, die ihre Mama und Paul liebe- und verständnisvoll unterstützt hat, mir das wichtigste Untensil meiner Reise geschenkt hat (den weltbesten Ultraleichtrucksack). Du bist ein tolles, großes Mädchen – bleib immer so wie du bist 🤍.

Danke lieber Paul für die zahlreichen Küsse aufs Telefon und dafür, dass du so brav auf mich verzichten konntest. Du bist ein toller Sohnemann und wirst es immer sein 🤍.

Danke dir, liebe Gabriele fürs mitfiebern. Danke für deine Aufmunterungen, Gedichte und konstruktiven Anregungen zwischendurch – es hat mich Stolz gemacht, dass ich dich ein wenig inspirieren konnte 🤍.

Danke liebe Christel, dass du mich so nimmst, wie ich bin und als Mutter mit mir gefiebert hast. Danke auch für deine Zweifel und Sorgen zu Beginn meiner Reise, sie haben mich zusätzlich bestärkt 🤍.

Danke liebe Alsdorfer Familie, danke liebe Luna-Bluna und Lilly-Brilli für die tolle Abschiedsfeier und die Geschenke, sowie das ganz besondere Buch mit so schönen Wünschen und Inspirationen. Schön, dass ihr stolz auf mich seid – aber ich bin einfach nur gewandert – jeden Tag, 20 Kilometer. Ihr wart stets ein wichtiger Teil meines Weges und werdet es immer sein 🤍.

Liebe Karin und lieber Werner, danke euch für die Unterstützung bei der Beseitigung des Wasserschadens und dafür, dass ihr immer für uns da seid. Danke, für eure große Hilfe. Ja, lieber Werner, der Camino hätte dir gut gefallen – du kannst ihn immer noch gehen. Und dir liebe Karin, danke für deine sorgsam gewählten Zeilen in meinem Schatzbuch – sie haben mich tief berührt 🤍.

Ein dickes Dankeschön an meinen Orthopäden, der mir vor 10 Wochen sagte,ich könne den Weg nicht gehen. Als ich ihm erklärte, dass ich auf jeden Fall gehen werde, erwiderte er perplex „wenn überhaupt dann mit 20 Kilogramm wenniger auf den Rippen“. Er hat den Stein ins rollen gebracht meine Ernähung zu überdenken. Ich habe dadurch in 1,5 Monaten 7 Kilogramm verloren – vor dem „Camino Francés“ und das hat gereicht 🤍.

Danke liebes Physiotherapeutenteam der Praxis „proaktiver“ in Alsdorf. Das Team hat mich spontan 4 Wochen lang gedehnt , gezogen und gestreckt und mich damit nach 20 Jahren der Starre beweglich gemacht. Sie haben meine Hüfte großartig gerichtet und mich mit Tipps zur Dehnung versorgt. Ich habe es geschafft 🤍.

Danke liebe Heidi Tassin „als Dame aus dem Internet“ (und der Realität) für deine wertvollen Tipps rund um die Wasserblasen, Knochenhautentzündung, das Wandern, die Herbergen und den Camino allgemein – du hast mir meinen Weg wesentlich geebnet und mich mit deiner Weltsicht inspiriert. Insbesondere danke für dein „u.A..“, ich wollte die letzten Tage weiterwandern – hatte die gewohnte Aktivität als Pilger im Visir und du hast mir eine Abkürzung vorgeschlagen. Auf meine Frage wohin ich dort wohl wandern kann, antwortest du mit „u.A.“ – genau, ich könnte auch einfach ich selbst sein und mich finden … u.A. … das war die bessere Option! Kombiniert mit den anderen Erfahrungen aus der letzten Herberge war dies ein wesentlicher Schlüssel zu mir selbst 🤍.

Danke liebe Gudrun für das Fernreiki das du dem ungläubigen Thomas gespendet hast. Ob es funktioniert hat, das kann ich – natürlich – nicht zweifelsfrei sagen. Und danke für dein Lachen – ich habe es bis hier gespürt 🤍.

Danke lieber Marcel, dass du unsere Familie unterstützt hast und die Reisen wesentlich vereinfachen konntest. Danke für deine Hilfe bei mir zu Haus 🤍.

Danke lieber Stefan für die tolle, gemeinsame Trainingszeit und unsere Freundschaft. Und danke für die reflektierten Korrekturen der Perspektiven. Bald geht es wieder an den Blausteinsee und zum wandern 🤍!

Danke lieber Kubi, dass du wieder ein Teil meines Lebens bist und danke für unsere lebenslange Freundschaft 🤍.

Danke an alle, die mich in meiner Reise unterstützt haben. Einmalig und Einzigartig! Und denkt darüber nach, euch selbst diese Erfahrung zu schenken 🤍!

Danke „Camino Francés“ 🤍!

Buen Camino!

#Tag 44: Jakobsmuschel zum Finale

Heute heißt es Abschied nehmen. Vom Wanderleben, vom galizischen Essen, den tollen Erfahrungen mit anderen Pilgern und von meiner beeindruckenden Küste des Todes. Wir sehen uns wieder!

An einem exklusiven Sandstrand – dem „Praia Da Langosteira“ – findet man Jakobsmuscheln. Es ist der lang gezogene Sandstrand direkt vor Finisterra.

Das Meer sorgt mit jeder Flut für stetigen Nachschub und so finden sich zur Ebbe ausreichend Exemplare aller Couleur. Der gemeine Pilger braucht also nicht verstohlen durch die Nacht zu wandeln, denn das Meer hat für jeden ausreichend im Angebot.

Ich bin dem Wahrzeichen des Jakobsweges über 800 Kilometer gefolgt und muss sagen, dass es wirklich eine Besonderheit ist, die Jakobsmuschel an ihrem originären Lebensraum zu finden.

Die bis zu 15 cm großen Muscheln leben in Tiefen bis zu 200 Metern. In ihrer Jugend haften sie am Grund und als Erwachsene schwimmen sie schon mal durch die Meere – hallöchen und tschüss – und vergraben sich dann schnell im sandigem Untergrund. Ja, ihr habt richtig gelesen – mit Hilfe ihres stark ausgeprägten Schließmuskels können sie durch kräftiges Schließen und Öffnen ihrer Schalen mittels Rückstoßprinzip schwimmen. Nun, als Homosapien bin ich dann doch eher froh darüber, dass wir uns mit unseren Beinen fortbewegen dürfen.

Ich hatte gestern in in unserer Herberge von der Muscheloption erfahren und war versucht, direkt loszustürmen, um meine Kollektion zu starten. Aber gestern war mein Tag, meine Ankunft in mir selbst und so mussten die Muscheln auf mich warten.

Kollekte der Meere. Die Stadt im Hintergrund ist Finisterra, ganz links außen befindet sich der Leuchtturm.

Ich sammle also fleißig vor mich hin, wasche sie in meiner Herberge sandfrei und lasse die Hälfte der Selektion vom Strand vor Ort. Die Herberge wird sie gegen kleine Spenden an andere Pilger weitergeben. Ich selbst habe ausreichend im Gepäck und für jeden meiner Lieben zumindest ein Stück echter Natur für die Ewigkeit.

Um 15:00 Uhr ist es so weit, es geht mit dem Bus aus Finisterra los. Die Fahrt von drei Stunden für 7,05 Euro und rasanter Geschwindigkeit beginnt mit einem Ruuuuums. Die Busfahrerin kommt zeitig an und rammt beim parken die rückwärtige Straßenlaterne. Sie steigt aus, betrachtet ihr Fahrzeug und die boshafte Laterne verdutzt und steigt tiefenentspannt in den Bus. Egal – vamos – weiter gehts.

🤍

Und das soll es nun gewesen sein?

Jetzt – nach meiner Heimreise – startet der schwierige Teil meiner Reise, denn es gilt das kostbare Gut zu bewahren. Es zu schützen und auch meinem Herzen treu zu bleiben, der Welt etwas davon zurückzugeben, mögliche Niederschläge hinzunehmen – bis die Welt um mich herum zu meinem Herzen passt.

Ich hatte ausreichend Zeit mit mir, habe mein persönliches Ziel gefunden, meine Abenteuer erlebt und kann daher diesen „Camino Francés“ mit ruhigem Gewissen für dieses Mal abschließen. Die Pilger die ihn in der Vergangenheit öfter gegangen sind, sagten, dass er jedes Mal völlig unterschiedlich sei – die Menschen machen den Weg.

Davon abgesehen, ruft der „Camino Portugues“ mit seinen nur 250 Kilometern (14 Tage) zu einer kommenden Urlaubszeit. Die Portugiesen sind laut den Erfahrungsberichten von bekannten Pilgern noch gastfreundlicher und hilfsbereiter als die Spanier und der Weg soll ebenfalls wunderschön sein.

Entsprechend nähert sich vorerst auch das Ende dieser Geschichte. Für Morgen werde ich das wesentliche niederschreiben, z.B. was sich für mich geändert hat, was ich gelernt habe, was ich nächstes Mal anders machen würde und welches Gepäck wirklich von Nöten ist. Ihr dürft euch daher morgen auf einen Beitrag mit wertvollen Extrakten aus dem Camino Francés freuen.

Irgendwann in der Zukunft will ich niederschreiben, wie sich mein erster „Camino Francés“ im deutschen Alltag bewehrt. Ich denke, das wird ein spannendes Kapitel für sich.

Für heute fühlt es sich bereits anders an, zu weit weg und ich werde darum kämpfen noch lange von meinen Erfahrungen zu zehren und meinen inneren Frieden zu wahren.

Schön, dass ihr mich auf meiner Reise begleitet habt. Danke!

Nun freue ich mich jetzt und hier darauf, morgen Mittag meine Familie wiederzusehen und werde ganz besonders glücklich sein, wenn ich alle in meine Arme schließen kann. Buen Camino!

#Tag 43: Krokodilstränen

Als ich das Frühstück genieße schreibt mir Heidi (meine Hospitalera aus dem Internet), dass ich es geschafft habe. Das ich jetzt den Camino wirklich lebe. „Du siehst und fühlst jetzt!“ und ja, etwas ist seit gestern Abend anders – irgendwie fühlt es sich gut und richtig an. Aber was ist es? Sie meint ich hätte gestern „erstmals anders geschrieben, nach außen orientiert – ich schreibe nicht mehr für andere, sondern für mich“ und sie hatte Tränen in den Augen, als sie das erkannte. Ich bin – so schreibt sie – „von ihrem Camino-Sorgenkind zum Camino-Botschafter geworden“. Ok – gut!

Aber was ist es, wovon sie da schreibt? Im ersten Moment habe ich keine Ahnung, denke kurz darüber nach und flüchte vom Frühstücksraum in mein Zimmer. Denn mir steigen die lang ersehnten Tränen in die Augen und ihr wisst – als Mann weint man nicht. So hetze ich – völlig überflüssig und albern – zum Strand und muss dabei immer wieder weinen. Ich vergesse sogar meine letzten Pflaster zum Schutz der Blasenrelikte, lasse meinen Rucksack und meine Stöcke ruhen, kein Tracker und keine Navigationsapp ich laufe los um mich auf die Klippen zu setzen. Nur meine Thermoskanne mit leckerem Tee habe ich dabei – aufs wesentliche reduziert – lasse ich mich ins Leben treiben und ich bin grenzenlos glücklich.

Meine lang ersehnten Krokodilstränen sprudeln wie aus dem Nichts – sie sind einfach da, streichen sanft meine Wangen hinab. Wie oft saß ich an der Kathedrale in Santiago, habe mir das Glück erwünscht, die Tränen der Freude herbeigesehnt, die dort andere Pilger verspürten. Ich wollte sie hinauspressen wie ein Hase seine braunen, kleinen Knödel. Aber sie kamen nicht. Jetzt – jetzt sind sie einfach da!

Ich bin wirklich da – am Ziel meiner Reise, da hat sie Recht!

Ich denke nach, was genau passiert ist und was sich verändert hat. Ich bin ohne jegliche Erwartung am vorletzten Tag meiner Reise durch eine Verkettung glücklicher Umstände an meiner so sehr ersehnten Veränderung meiner Lebensphilosophie angekommen.

„Ich bin ok und du bist ok“ – wie oft habe ich diesen Satz gehört. Jetzt nach über 800 Kilometern, am Ende der Welt, am Strand des Todes habe ich ihn wirklich verinnerlicht.

Was wäre nur, wenn Heidi und die anderen Empfehlungen in meiner Facebookgruppe nicht den Bus nach „Cee“ vorgeschlagen hätten, wenn ich mit dem falschen Bus nach „Muxia“ gefahren wäre, wenn mir „Peter“ aus Dänemark seinen Lieblingsweg durch die Klippen des Todes verschwiegen hätte, wenn er nicht seinen Jakobsweg der Herberge „opfern“ würde um dort einfach glücklich zu sein und die von „Lane“ empfohlene Herberge nicht mein Ort zum verweilen gewesen wäre? Der erste Abend hat rückblickend meine Zukunft geprägt und mich zu meinem inneren Frieden geführt. Was wäre wenn Louis, eine der 25 anderen Herbergen gewählt und nicht zur rechten Zeit in den Klippen hätte sagen können, dass der Weg durch Klippen bald einfacher wird? Es ist im Grunde egal – aber dennoch bemerkenswert – wie zuverlässig die Zahnräder des Lebens in sich greifen, wenn man sie greifen lässt.

Es ist egal, denn es ist passiert und es ist ohne mein zutun geschehen. Warum? Weil ich es ohne Erwartung geschehen lies – mein Leben, der Camino oder die Erlebnisse, die Menschen darauf, sie alle haben mir gegeben, was ich mir so sehr gewünscht habe. Ich kann die größte Transformation erleben – die meiner selbst.

Ich ruhe in mir, habe meinen inneren Frieden gefunden. Muss nichts machen, was ich nicht will um bei anderen Gefallen zu finden. Ich muss keine Wanderziele auf vorgegebenen Wegen finden, keine Städte mehr als Ziel bewandern. Ich muss nichts beweisen, mein Bauch, mein Gefühl entscheidet im hier und jetzt und wählt das, was gut für mich ist.

Dies ist der lang ersehnte Moment in dem ich mich mit Hochachtung schätze, mich und meine Bedürfnisse grenzenlos respektiere – der Moment an dem ich ich ich selbst bin. Der Moment an dem mein Herz entscheidet und das Glück und den Sonnenschein wählt.

Gestern habe ich es zitiert, heute verstanden und sage selbst: das Ende des Camino ist nur ein neuer Tag!

Was habe ich anders gemacht? Ich habe nicht mehr gesucht. Ich erwarte nicht, ich lasse die Veränderung geschehen und vertraue darauf. Ist es das? Ich glaube schon!

Ich möchte leben, meinem Lebensweg vertrauen und ihn gewähren lassen. Ich möchte mich im Strom des Lebens treiben sehen. Voller Glück und es anderen Menschen ermöglichen, etwas davon zurückzugeben, sich selbst zu sein - grenzenlos. 

So sitze ich stundenlang auf dem Fels und denke nach. Es ist schwer zu verstehen und noch schwerer in Worte zu fassen. Nach ca. 3 Stunden habe ich genug sinniert und breche auf. Ich verlasse meinen ganz persönlichen Ort.

Als ich den Weg vom Strand zur Herberge zurückgehe ertönt aus dem Wald eine Motorsäge. Jemand fällt auf „meinem Berg“ ganz offensichtlich Bäume – am Ostersonntag – willkommen im Leben – willkommen in Spanien.

Und genau in dem Moment als ich auf dem Hügel ankomme, startet ein Osterfeuerwerk – um 12:34 Uhr Mittags – anders, aber wunderschön.

Der magische Moment, mein inneres Spektakel, mein kleines persönliches Wunder, mein inneres Feuerwerk. Mein Weg – mein bewegendster Moment!

Versteht ihr was passiert? Ich komme schon wieder zur richtigen Zeit, zum perfekten Ort um an der puren Lebensfreude teilzuhaben. Das ist ein Wunder! Das ist der Moment an dem meine Krokodilstränen ungebremst sprudeln – mein unvergessliches, inneres Feuerwerk – mein ganz persönliches, inneres Spektakel. So unfassbar! Danke Spanien, danke Camino, danke an alle, die mich begleiten – und vor allem: danke Michael!

Am Ende der Welt ist auch mein Kilometerstein am Ende und zeigt Kilometer 0,000

Ich genieße den Morgen, trinke in der Herberge Tee und starte gegen 14:00 Uhr zum Leuchtturm. Ich verlasse das Haus. Etwas fehlt, ich prüfe meine Taschen und habe keine Maske dabei. Daher geht es ab ins Zimmer, an den gewohnten Orten finde ich sie nicht und durchsuche meinen Rucksack.

Und – als hätte es mich gesucht, als hätte es diesen Tag gewählt – halte ich mein Schatzbuch mit den Glückwünschen meiner Familie in den Händen. Was für ein ehrwürdiger Tag die letzten vielen Seiten meiner Familie zu lesen. Ich nehme es mit, auf meine letzten Schritte meines unvergesslichen Jakobsweges und lese es am Leuchtturm zu Ende – am Ende der Welt.

Danke meine liebe Familie – ich liebe euch! Es ist wunderschön was ihr für mich geschrieben habt. Ihr habt mein Herz berührt und es ist schön, dass es uns gibt.

Gegen Nachmittag trete ich den Rückweg an und wähle den Wald. Das ist gut, zunächst entdecke ich einen Ort für Camper mit der sicherlich beeindruckendsten Aussicht dieser Welt.

Lieber Willi, dieser Wegpunkt ist für dich. Camping am Ende der Welt!

Im Wald finde ich – ohne zu suchen – jadegrüne Steine (vermutlich Malachit) die mich stets an meinen Weg erinnern sollen. Besser gesagt, sie finden mich. Ich entdecke die schöne Natur und eine ganz besondere Aussicht auf meinen – sagen wir mal „Schicksalsberg“.

Danke Welt für diesen Tag. Nach über 800 Kilometern, zahlreichen Blasen, Knochenhautentzündung und allerlei anderen, was man braucht um auf seinen Körper zu hören bin ich da! Mein Prozess der Transformation hat erfolgreich begonnen! Danke Camino! Buen Camino!

#Tag 42: Adrenalin

Heute geht über die Klippen an der „Costa de la muerte“ ein Abschnitt mit dem imposanten Namen „Küste des Todes“. Was will einem da schon wiederfahren? Am Ende der Welt auf der Küste des Todes.

Der Name kommt von den starken Unterströmungen die immer wieder zu Todesfällen führen. Wird man von der Küste des Todes abgetrieben, kommt gewiss der Tod. Es folgen lange Küstenabschnitte aus denen es in der Tat kein Entrinnen gibt – zu steil und eine wirklich tosende Brandung sind Garant für einen ungesunden Schleudergang.

Mein Tagesziel ist ein kleiner, verlassener Strand – der „Arnela Beach“ – mit einer kleinen Höhle.

Heute habe ich quasi Entjungferung – es ist das erste Mal seit 42 Tagen, dass ich ohne „schweres“ Gepäck unterwegs bin. Es fühlt sich seltsam an, man ist leicht, schnell und ungebremst – als hätte man Flügel. Damit ich meine Flüssigkeit für die Wanderung nicht auf Händen tragen muss, habe mir in der Herberge einen Sportbeutel geborgt. Darin kläppern Thermoskanne, Wasserflasche und eine Dose Monster lautstark vor sich hin.

Auf den ersten Felsen stellt sich ein mulmiges Gefühl ein, ich kann nicht einschätzen wie schwierig der Weg in der Todeszone ist. Ich weiß nur von unserem Dänen, dass er sehr herausfordernd sei und den Beinen alles abverlangt. Nun gut, Steigungen und Höhenmeter sind meine Wasserblasen zwischenzeitlich gewohnt.

Ich wähle stets den schönsten Weg, also möglichst weit außen an den Felswänden und werde mit atemberaubender Natur belohnt. Und so kommt es wie es kommen muss – wer schön sehen will, muss leiden.

Neben meinen Gebeinen geht es teilweise so steil hinunter, dass ich mich ausschließlich auf den Weg konzentrieren muss. Quasi mein erzwungener Tunnelblick, d.h. jeder Stockeinsatz, jeder Tritt wird akribisch vor der Umsetzung überprüft.

In der Mitte des ca 6 Kilometer langen Küstenabschnittes kommt meine Mutprobe. Es geht wirklich steil in die brausende Brandung hinab und man muss große Steine auf schmalen Pfaden überwinden. Ich nähere mich meinem Grenzbereich – dem Punkt, wo ich darüber nachdenke umzukehren, da die Hürden für mich immer unüberwindbar werden. Die Brandung selbst – tief und mächtig – unterstreicht die Dramatik passend.

Was ist die Alternative? Die ganzen Felsen wieder hinaufklettern und den ganzen langen Abschnitt auf anderer Höhe erneut bewältigen? Keine gute Option und so setze ich mich auf meinen Hosenboden und klettere auf allen Vieren die restlichen Felsen hinab.

Der fliegende Mexikaner – welch beeindruckende Pose.

Die Flucht nach vorne war die richtige Entscheidung, denn nur ein paar Felsvorsprünge weiter treffe ich auf Louis – er ist auf dem Rückweg – und berichtet, dass es in Kürze einfacher wird. Das sind gute Aussichten!

Louis ein ehemaliger Anwalt aus Mexiko City. Er wird den Camino noch einen weiteren Monat leben und entscheidet jeden Tag neu. Er geniest die Zeit mit sich selbst – ein ganz besonders wundervoller Mensch. Danke Louis für deine entspannte und liebenswerte Art.

Der Weg ist auf bemerkenswerte Weise ermüdend und nach vier Stunden und unzähligen Abbiegungen durch „oh – eine Blume“, „oh – weitere Felsen“ oder „oh – ein Abhang“ ist der Strand in Sicht.

Wunderschön und (fast) Menschenleer. Es geht ein letztes mal sehr steil über Felsen hinunter – oder alternativ durch dorniges Gebüsch. Ich wähle das Gebüsch und mache erst mal eine lange Pause.

Ich bin wahrlich stolz auf mich, da ich auch die „Klippen des Todes“ überstanden habe. Und nein, so schlimm waren sie nicht – für mich jedoch sehr wohl. Und so trete ich mit Stolz geschwellter Brust den langweiligen Heimweg an und trinke währenddessen den Rest meiner Wasserflaschen.

Auf dem Heimweg bin ich wirklich ermüdet. Mag nicht mehr gehen und beschließe noch einen Tag in der Herberge zu bleiben. Ich will morgen nur noch zum Leuchtturm gehen – ein kleiner Spaziergang zum Abschied. Es war schön und ist nun genug. Mein Körper ruft nach Wanderpause.

Am Abend sind wir ein neuer, bunt zusammengewürfelter Haufen und zumindest ein Teil der Gruppe eilt nach dem verspäteten Abendessen zum Sonnenuntergang. Die Männer eilen zur Sonne, während die vermeintlich romatischeren Damen in der Herberge verbleiben.

Es ist erstaunlich wie gut mir diese sehr einfache, günstige aber unbeschreiblich leckere vegane Küche schmeckt. Heute gibt es Reis mit Pilzen in einer Cremesauce. Danach Bratkartoffel mit Paprika aus dem Ofen mit Olivenöl und frischen Gewürzen. Eigentlich nur belanglose Beilagen, aber so unbeschreiblich intensiv, anders schmeckend und so lecker, dass es keinem Fleisch bedarf.

Interessant ist, dass es heute Abend keine intensiven Geschichten gibt – keine neuen Perspektiven. Es ist der gleiche Ort, die gleiche Herberge, der gleiche Weg, aber heute sind mehr Induviduen da, die nach einer Osterparty suchen und den Camino auf andere Art verstanden haben. Alles ist gut und ich gehe als einer der Ersten, zufrieden und vom Tag erfüllt ins Bett.

Heute – so scheint es, als würde sich der Camino auf allen Ebenen verabschieden. Ich kann loslassen, ich habe ihn wirklich gelebt – Buen Camino!

In der Nähe schießen sie Böller in die Nacht – Kanonenschläge – deren Druck spürbar ist. Die Piraten kommen zurück – zur Küste des Todes. Gute Nacht Welt!

#Tag 41: Mutation zur dritten Art

Meine Zeit fürs Wandern (3 Tage) ist zu knapp und der Weg (5-7 Tage) zu lang. Entsprechend habe ich zwei Handlungsmöglichkeiten: in der Stadt faulenzen oder den Weg verkürzen – künstlich versteht sich. Das neue Ziel ist Finisterra und ob es von dort weiter nach Muxia geht, lasse ich offen.

Ich mutiere folglich im Nebel des Morgengrauens zum Zombie-Pilger, laufe zum Busbahnhof, fahre mit dem Bus und fokussiere mich die kommenden Tage auf die schönsten Reiseziele.

Zeitig am Morgen wird der Rucksack gepackt und die Schuhe geschnürt – das fühlt sich unbeschreiblich gut an. Das Wandern hat mich zurück! Und pünktlich um 9:15 Uhr geht es dann – um 9:30 Uhr – mit dem Bus los.

Zuvor saß ich in zwei verschiedenen Bussen und habe glücklicher Weise nochmal mit Unterstützung meines Bustickets nachgefragt. Dort steht „Cee“ und dann folgt die überraschte Antwort des Busfahrers „No, no“ – also ab, in den nächsten Bus.

Normaler Weise sind die Busse überfüllt, erzählt man mir – aber es ist Ostern – und die anderen Zombiepilger verweilen in Santiago und das ist gut so. Ich überspringe mit einer Fahrt von 2,5 Stunden für 7,00 Euro ganze 3,5 Wandertage.

An einer Haltestelle steigt der Busfahrer aus und geht in eine Bar – der Motor läuft – dort trinkt er gemütlich einen Kaffee – der Motor läuft – und kommt wieder zurück und dann geht es weiter – der Motor läuft. Es ist eben alles entspannt hier in Spanien.

Nach der Busfahrt suche ich den „Camiño a Fisterra“ und wandere dort die knapp 15 Kilometer nach „Finisterra“. Dort will ich den Leuchtturm mit seinem Wanderschuh aus Stein besuchen. Er ist Symbol dafür, dass die Pilger früher ihre Wanderstiefel an dieser Stelle verbrannt haben, hatte mir Jessica erzählt. Und am späten Abend will ich beobachten wie die Sonne im Meer versinkt. Ich freue mich so sehr auf dieses „Ende der Welt“.

Ich ärgere mich ein wenig über den Pausentag Santiago, da ich im Rückblick die Zeit auch gerne auf den Beinen verbracht hätte – verrückt.

Und da kommt ein junger Bursche daher, er ist den gleichen Camino gegangen und das sieht man – etwas ungepflegt, gebräunt, meist humpelnd und mit viel Gepäck. Irgendwelche Gegenstände hängen belanglos am Rucksack herab – das Äußere ist mit den Kilometern gleichgültig geworden. Die Pelegrinos (Kurzstreckenplger), sind im Gegenzug gekämmt, gebürstet und gestriegelt. Nicht selten dampfen ihre Haare vom Lockenstab und so laufen sie dahin als würden sie mal eben in die Küche gehen. Sie setzen noch auf äußere Werte.

Ich schweife ab, … also der junge Franzose … er ist den ganzen Weg von „Seant Jean Pied de Port“ bis nach „Finisterra“ gelaufen. Er meint, er wäre völlig ausgelaugt, hat die Strecke seit Santiago nicht mehr genossen, weil sein Körper nach Rast ächzt. Er wäre wohl lieber mit dem Bus gefahren sagt er. Danke für meine Absolution denke ich und freue mich über frisch geruhte Füße.

Der Camino geht zunächst am Hafen von Cee entlang, dann auf einen Hügel in die Natur. Wundervolle Aussicht, die Feigenbäume sind bereits grün und die Zikaden zirpen von den Pinien. Eine völlig andere Welt.

An einer Bucht ist eine von außen unscheinbare Bar und ich will Frühstücken. Ich bestelle einen Salatteller und bekomme diesen ohne Brot gereicht, dazu einen leckeren Kaffee. Der Salat schmeckt fast so gut wie zu Hause, ich genieße ihn und ich habe noch Hunger. Also bestelle ich einen weiteren Salat – mit Brot. Der kellnernde Inhaber versteht mich nicht und Google-Translate fällt mangels fehlendem Internet aus. Wir verständigen uns mit den Händen und sind uns einig. Dachte ich!

Wenig später kommt der Salat, dazu das gewünschte Brot. Zusätzlich gibt es frisch gegrillte Rippchen – auch gut. Also beginne ich zu speisen und nach einer Weile bringt er eine Kräutersauce dazu. So mampfe ich vor mich hin und er kommt wieder und bringt Pommes daher. So langsam mache ich mir sorgen, dass ich die ganze Speisekarte bestellt habe, aber es geht nochmal gut. Weiteren Lieferungen bleiben aus!

Als ich bezahlen will, kommt der Kellner mit einem ganzen Arm voller Speisen auf mich zu. Mein Mund bleibt offen stehen und er biegt ab. Ein Glück! Als er abräumt frage ich ihn, ob ich mit Karte zahlen kann und er antwortet mit „si“. Dann denke ich nach und hoffe, dass ich nichts weiter bestellt habe.

Nein, ich zahle und laufe am Strand entlang.

Der Camino und die Menschen drum herum (danke Heidi) hat mich seit heute wieder und ich habe mir etwas in Erinnerung gerufen. Es geht nicht ums wandern, um ein physisches Ziel zu erreichen, sondern ausschließlich darum, das Leben zu genießen. Es ist völlig legitim mit dem Bus die Berge zu überspringen, um dann die letzten Tage am Meer zu verbringen.

Auf dem Weg treffe ich einen alt bekannten, hochgewachsenen Holländer, er ist im Stress da heute sein letzter Tag ist. Wir sprechen kurz und dann braust er weiter. Alles klar denke ich – ich habe alles richtig gemacht.

In „Finesterra“ wähle ich eine Herberge, die mir Lane (die zwei Deutschen am ersten Abend in SJPDP) empfohlen hatte. Ich hatte sie vorgestern angeschrieben, da ich sie seit „Tag 0“ und „Vancesvalles“ nur noch einmal wieder getroffen habe. Dann habe ich sie immer wieder mal auf Fotos oder Videos von Herbergsvätern gesehen und wusste daher, dass sie meiner Zeit weit voraus war. Sie ist bereits bis Muxia durchgelaufen und gibt mir tolle Tipps. Danke Lane!

Ich trete in die Herberge „Albergue La Espiral“ ein und treffe grenzenlos glückliche Menschen, zwei Männer aus Italien die hier im Sommer leben und eine Frau (die Inhaberin). Einer von ihnen führt mich ins Herbergszimmer und ich traue meinen Augen nicht, ich sehe die sehr interessante Persönlichkeit, den introvertierten Mexikaner „Louis“ aus dem Gebirgsjäger-Team vor einigen Wochen. Er ist den Weg über „Muxia“ nach „Finesterra“ entgegengesetzt gelaufen und hat am Nachmittag die selbe Herberge gewählt – aus 25 möglichen Alternativen – das ist der Camino.

Wir freuen uns wie kleine Kinder und wollen am Abend den Sonnenuntergang gemeinsam erleben. Vorab gibt es selbstgemachte, italienische Pasta, mit viel Knoblauch, Olivenöl und danach Zucchini mit Zwiebel und Brot und anschließend selbstgebackenen Kuchen. Das Essen wird durch Spenden finanziert und schmeckt unglaublich lecker.

In meiner Herberge wimmelt es von Menschen mit interessanten Lebensgeschichten das ist so spannend und inspirierend. Wahnsinn!

Einem 45 Jahre alten Mann hatte man vor 4 Jahren im Krankenhaus aufgrund einer schweren Krankheit nur noch wenige Monate prognostiziert. Da er nichts zu verlieren hatte, ist er den Camino gelaufen. Anfangs mit 2,5 Kg an Medikamenten die er nach wenigen Wochen eigenständig absetzte. Jetzt ist er kerngesunder Physiotherapeut und wird in drei Wochen mit seiner Familie nach Vietnam ziehen.

Er hat einen Berliner Arzt getroffen – erzählt er – der ohne Geld in Berlin gestartet ist und von abgelaufenen Lebensmittelspenden lebt. Er übernachtet im Zelt und seine unbeschreiblich zufriedene Ausstrahlung fasziniert ihn noch heute.

Er frägt mich, was ich morgen machen werde und ich antworte – „ich weiß es nicht“. Er lacht und meint „du hast den Camino wirklich durchlebt und verinnerlicht“. Nun, da ist glaube ich noch viel Luft nach oben. Aber auch ja, ich lerne – täglich neu – auf meinen Körper zu achten und das zu tun was mir Freude bereitet.

Er selbst ist seit Anfang des Monats in der Herberge, wollte eigentlich einen Camino gehen, und wandert täglich viele Kilometer in alle Hinmelsrichtungen. Die Klippen haben es ihm angetan und er erzählt davon. Schmale Pfade mit sehr steilen Anstiegen und atemberaubenden Aussichten – fern ab vom Massentourismus. Und am Ende kommt eine kleine abgelegene, idyllische Bucht. Ach ja, ich weiß es doch – sagt meine Stimme zum Hositalero – und verlängert das Herbergszimmer um eine Nacht.

Neben mir sitzen zwei deutsche Mädchen. Eine davon ist Deutschlehrerin – wie meine liebe Schwester – und wird ihr Leben in Deutschland aufgeben. Sie will in Thailand die Deutsche Sprache lehren und ist aufgeregt und freut sich zugleich auf diese neue Erfahrung. Sie erzählt von vielen Reisen, von vielen Erlebnissen – mit so jungen Jahren! Sie lebt wirklich ihr Leben!

Buen Camino!